Schwangerschaft ist keine Krankheit
wissen, was es empfindet, wenn wir mit einem Scanner auf Ihren Bauch drücken und beginnen, Schallwellen zu senden. Nach wenigen Minuten der Ultraschalluntersuchung werden fast alle Babys unruhig, bewegen sich vermehrt. Das geschieht schon sehr früh in der Schwangerschaft, mit zehn bis elf Schwangerschaftswochen.
Was nimmt das Ungeborene davon wahr? Zur Anfangszeit der Ultraschalluntersuchung, vor inzwischen 40 Jahren, hat diese Frage die Mediziner intensiv beschäftigt. Auch viele Mütter haben sich früher wegen der Sicherheit der Ultraschalluntersuchung Sorgen gemacht. Heute kommt das eher selten vor.
In Europa gibt es heute eine sogenannte »Watchdog«-Gruppe, die sich mit den möglichen Risiken der Anwendung von Ultraschall in der Medizin befasst. Auch Mitarbeiter der berühmten Mayo Foundation in Rochester befassen sich mit der Frage, was Ungeborene vom Ultraschall spüren können.
Beim Ultraschall werden Schallwellen mit mehr als 20 000 Schwingungen pro Sekunde ausgesendet. Sie sind für das menschliche Ohr nicht hörbar. Die Forscher gehen aber davon aus, dass durch die Ultraschallwellen Sekundärvibrationen ausgelöst werden, die das Baby spüren kann.
Ultraschallgeräte erzeugen zudem die Schallwellen in periodischen Abständen, die weniger als eine Tausendstelsekunde dauern. Dabei entstehen klopfende Geräusche, die das Ungeborene wahrscheinlich wahrnehmen kann. Mittels bestimmter Messgeräte, sogenannter Hydrophone, wurden diese Geräusche in der Gebärmutter untersucht. Es handelt sich um ein Summen, das den höchsten Pianotönen ähnelt und einen Geräuschpegel von etwa 100 Dezibel aufweist. Das entspricht am ehesten der Lautstärke eines einfahrenden Zuges.
Man geht heute weltweit davon aus, dass die Ultraschalluntersuchung und die Ultraschallenergien (die sich im Laufe der letzten 15 Jahre verdreifacht bis verachtfacht haben) dem Ungeborenen nicht schaden. Dennoch soll die jeweilige Untersuchung sicherheitshalber nicht länger als notwendig dauern. Gleiches gilt für die Dopplersonografie, eine spezielle Ultraschallmethode, bei der es im untersuchten Gewebe unter bestimmten Umständen zu einem nachweisbaren Temperaturanstieg kommen kann.
Immer wieder wird diskutiert, ob die Ultraschalluntersuchung in der SchwanÂgerschaft mit einem vermehrten Auftreten verschiedener Erkrankungen des Babys verbunden ist. Die Weltgesundheitsorganisation hat in einer umfangreichen Ãbersichtsarbeit hierzu mitgeteilt, dass dies nicht der Fall ist. Auch psychische Störungen oder eine verminderte Intelligenz waren bei den pränatal mit Ultraschall untersuchten Babys nicht feststellbar (Torloni et al. 2009). 4 Auch in dieser Hinsicht ist Ultraschall eine sichere Technologie.
Was bewirkt die Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft?
Die Leitlinie »Empfehlungen zu den ärztlichen Beratungs- und Aufklärungspflichten während der Schwangerenbetreuung und bei der Geburtshilfe« gibt den Ãrzten das Ziel aller vorgeburtlichen Untersuchungen vor, nämlich »Risiken für Mutter und Kind rechtzeitig zu erkennen, eine optimale Behandlung zu gewährleisten und Befürchtungen der Schwangeren vor der Geburt und in Bezug auf die Gesundheit des Kindes abzubauen.« (AWMF-Leitlinie Nr. 015/043)
Erreichen wir dieses Ziel? Nein, ganz sicher nicht. Im Gegenteil: Unsere heutige Pränataldiagnostik mit allen Ambulanzen und Spezial-Ambulanzen verursacht und vermehrt die Befürchtungen schwangerer Frauen wie Ihnen, statt sie »abzubauen«. Wie könnte eine so professionelle und gezielte Suche nach allen möglichen kindlichen und mütterlichen Risiken denn auch beruhigend wirken? Der Begriff »Risiko« schwebt heute über jeder Schwangerschaft. Die Schwangere und der Fetus sind diejenigen, die mit einem potenziell zu ermittelnden Risiko behaftet sind. Der Arzt ist der Risikomanager.
Früher, vor 150 bis 200 Jahren, hatten die schwangeren Frauen, wie Barbara Duden dies ganz trefflich analysiert hat, komplett andere Befürchtungen: Sie fürchteten sich vor einem Blitz oder vor einem Brand. Sie glaubten, das Gesehene könne sich über ihre Augen dem Ungeborenen einprägen. Sie fürchteten den »bösen Blick« der Unfruchtbaren, den Neid anderer Frauen (Duden 2002a). Sie hatten Angst vor Mäusen, weil dann das Kind mit einem Muttermal geboren würde, und natürlich vor Hexen
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