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Schwarz wie Samt

Schwarz wie Samt

Titel: Schwarz wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trump
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gesperrt oder musste im Hotel Frühdienst tun. Das bedeutete, dass er bereits um vier Uhr morgens aufstehen musste und in der Küche Geschirr räumte oder Gemüse putzte. Wochenlang wurde er gezwungen, diese Dienste zu verrichten und war dadurch nie ausgeschlafen und immer müde. Die Eltern führten ein strenges Regiment, da das Hotel am Luisenplatz vorbildlich sein musste und dort die Abgeordneten des Parlaments und hohe kommunistische Politiker ein- und ausgingen. Durch die ruhige Lage war es immer mehr zum Treffpunkt von Mitgliedern der sozialistischen Partei geworden und die Kinder waren gehalten, diesen Leuten mit Respekt und Anstand zu begegnen. Jacobs Unangepasstheit war deshalb ein großes Problem für die Eltern.
    Sie dagegen liebte ihren Bruder gerade wegen seiner Aufmüpfigkeit und wenn sie beide allein waren, parodierte Jacob am liebsten die „Uniformierten Kasperl“, wie er sie geringschätzig nannte. Als Jacob einmal so richtig in Aktion war und sie sich vor Lachen krümmte, kam der Vater ins Zimmer. Jacob hatte seine Parade Uniform angezogen, die ihm viel zu weit war und seine Mütze aufgesetzt, allerdings mit dem Schild nach hinten. Der Vater hatte ihm die Mütze vom Kopf gerissen und ihn geohrfeigt, dass es nur so klatschte. Seit diesem Vorfall waren sie und Jacob vorsichtiger und suchten sich im Hotel Plätze, die nicht so schnell entdeckt wurden.
    Einer dieser Plätze war der riesige Dachboden, auf dem alte Sofas und Betten abgestellt waren. Jacob hatte sogar ein verstaubtes Grammophon wieder in Gang gebracht und so hörten sie gemeinsam alte Schellackplatten. Jacob legte dabei gerne seinen Kopf in ihren Schoß und sie kraulte ihm die Locken. Bei einem dieser intimen Musikstunden war es dann passiert. Jacob drehte sich plötzlich um und steckte seinen Kopf unter ihren Rock. Sie hatte zuerst nur gelacht und ihn sanft weg geschubst, aber Jacob ließ sich nicht abhalten. Er warf ihren Rock hoch und umfasste ihren Po. Dabei zog er ihr Höschen herunter. Der Gedanke daran lähmte sie noch heute. Sie hatte damals geahnt, welches Spiel Jacob mit ihr vor hatte. Sie hatte einige Tage zuvor im Hotel Oberst Kretschmar eine Flasche Schampus auf das Zimmer gebracht. Die Dame, die bei dem Oberst auf dem Sofa saß, war nicht seine Frau. Der Oberst hatte sie kaum wahrgenommen, weil er so mit der Frau beschäftigt war. Neugierig hatte sie dann durchs Schlüsselloch geschaut. Was sie dort gesehen hatte, war ihr noch genau in Erinnerung. Die Dame hatte sich nicht lange geziert und der Oberst war gut gebaut. Sie waren nicht nur auf der Couch geblieben, der Kaminsims, an den sich die Dame lehnte und der echte Orientteppich waren die Plätze, wo die Beiden sich vergnügten. Die kleinen spitzen Schreie, die die Dame bei diesem Vergnügen ausstieß, klangen ihr noch heute in den Ohren.
    Jacob war nicht so stark wie der Oberst. Trotzdem wehrte sie sich zunächst, aber Jacob war sehr hartnäckig gewesen. Sie waren sich doch sonst auch immer einig. Warum sollte sie ihn wegstoßen, er liebte sie ja schon von jeher und dieses Spiel machte den Erwachsenen so viel Spaß, warum sollten sie das nicht auch tun. Viel zu schnell hatte sie sich geschlagen gegeben und als er in sie eindrang, schrie sie auf. Jacob hatte ihr den Mund zugehalten und einfach weitergemacht. Obwohl Jacob sich alle Mühe gab, blieb sie steif liegen und hielt krampfhaft die Augen geschlossen. Sie weinte, als er endlich von ihr abließ.
    Als sie beide eine Stunde später beim Mittagessen mit den Eltern am Tisch saßen und Jacob ihr immer wieder Blicke zuwarf, war sie aufgestanden und in ihr Zimmer gerannt. Dieses Geheimnis war so schwer zu ertragen, dass sie damals daran fast verzweifelte. Ihr Bruder hatte ihr eingeschärft, niemandem davon zu erzählen. Und als es wieder und wieder geschah, fand sie schließlich auch Gefallen daran. Fünfzehn Jahre war sie damals gewesen und die ahnungslosen Eltern hielten sie für ein blondes, unschuldiges Engelchen.
    Gloria öffnete erst die Augen, als sie in Berlin Tempelhof zur Landung ansetzten. Arven kümmerte sich um die Koffer und Gloria umarmte Frau Koch, die selbst gekommen war, um die beiden abzuholen. Es war ein sonniger Märztag, die Stadt wirkte nach den satten Ockerfarben Kenias frisch und kühl, doch die Straßenzüge im Osten der Stadt hatten ihre tristen Fassaden nicht verändert. Die hohen grauen Mietshäuser und verlassenen Geschäfte, die seit dem Mauerfall leer standen, wirkten auf Gloria unangenehm

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