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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sich Treibstoff abzapfen wollte.)
    Auch die vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai eingesetzte Untersuchungskommission war Mitte September 2009 zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Bombardement 30 Zivilisten und 69 Talibankämpfer getötet worden waren. Die Kommission hatte die Verantwortung für den Vorfall eindeutig den Taliban angelastet. Nach Abschluss der afghanischen Untersuchung hatte Karzai den Angriff zwar als Fehler bezeichnet, die Bundesrepublik aber zugleich in Schutz genommen. »Deutschland ist hier, um die afghanische Bevölkerung zu beschützen.«
    Die afghanische Seite sowie der Gouverneur sprechen von »einem großen Erfolg« und urteilen eindeutig, dass es keine unschuldigen Zivilisten getroffen hätte. Er sei falsch zitiert worden, versicherte der Gouverneur dem Kommandeur des Feldlagers Kundus auf Nachfrage. Der Polizeichef spricht von circa sechzig getöteten INS . Eine ähnliche Zahl nennt auch der stellvertretende Leiter des afghanischen Geheimdienstes ( NDS ).
    So weit die Fragen und Antworten im Dokument des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr zum Bombenabwurf. Die Darstellung in den deutschen Medien kam wesentlich spektakulärer daher als die – selbst nach Kenntnis dieser zwei vertraulichen Dokumente, dem Berichts- und dem Frage-/Antwort-Dokument – bisher bekannten Tatsachen. Handelte es sich also um eine berechtigte Militäraktion und war deshalb lediglich Kriegsalltag?
    Jedenfalls hat auch die NATO diesbezüglich einen Untersuchungsbericht erstellt. Dieser ist nach wie vor streng geheim. Einzelheiten sickerten dennoch an verschiedene Medien durch. Beispielsweise soll Oberst Klein Luftunterstützung angefordert haben mit der Begründung, dass seine Truppen Feindberührung hätten, obwohl sich nachweislich keine ISAF -Soldaten in der Nähe der Tanklastwagen aufhielten. Weiterhin hat er abgelehnt, die beiden F-15- Jagdbomber zunächst im Tiefflug über die Tanklastwagen fliegen zu lassen, denn das wäre als niedrige Eskalationsstufe angebracht gewesen. Die Tatsache, dass er sich auf eine einzige menschliche Quelle und die Bilder seines Aufklärungsluftfahrzeuges verließ, widersprach auch den Standard-Einsatzverfahren, den sogenannten Standard Operation Procedures ( SOP ). Der damalige ISAF -Kommandeur, US -General Stanley McChrystal, lehnte dazu eine Stellungnahme ab. Er berief sich darauf, dass dieses Papier als »geheim« eingestuft sei. Stanley McChrystal war der Oberkommandierende in Afghanistan, der aufgrund seiner Kritik an der Afghanistanpolitik des US -Präsidenten Barack Obama seinen Dienstposten räumen musste. McChrysal äußerte sich zu dem Kundus-Zwischenfall eindeutig: »Der Bericht liegt nun bei den Deutschen, die selbst entscheiden müssen, welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen.«
    Die Bundesregierung hat die NATO bis zuletzt dazu gedrängt, den Untersuchungsbericht zurückzuhalten. Am 15. Oktober 2009 gaben Vertreter der Bundesregierung dem Oberkommandierenden der NATO in Europa während eines Besuches in Berlin ganz klar zu verstehen, dass es bei einer deutlichen Verurteilung von Oberst Klein durch die NATO zu juristischen Problemen in Deutschland kommen könnte.
    Im Folgenden werden zur Unterstützung der These, dass es sich beim Tanklasterbombardement in Kundus um eine im Krieg völlig unspektakuläre Militäraktion handelte, Auszüge aus Gesprächsprotokollen herangezogen, die genau diese Lageeinschätzung präsentieren und als Dokumente vorgelegt werden können. Die Gespräche wurden geführt durch den Chef der deutschen Militärpolizei und andere Angehörige der deutschen Militärpolizei. Weil es Protokolle von Gesprächen sind, stehen die Aussagen der Befragten in indirekter Rede, alle folgenden Aussagen sind nichtsdestotrotz Zitate aus diesen Protokollen. (Auch hier finden sich im Anhang des Buches Abdrucke von Beispielen solcher vertraulicher Gesprächsprotokolle, die zeigen, wie unverständlich – zumindest für einen Laien – militärische Dokumente normalerweise sind.)
    Befragt wurde der Chef der Schutzkompanie Kundus, was er bei seinem Eintreffen am Ort des Geschehens vorfand: Entlang des Flusslaufs des Kundus-River seien zahlreiche afghanische Polizisten und afghanische Soldaten gewesen, als sie dort eintrafen. Viele hatten Kameras dabei und jubelten den ISAF -Soldaten zu. Zum Teil wollte man den ISAF -Soldaten sogar Geldgeschenke überreichen. Es wurden einige Tier- und Kleidungsreste gefunden, so wie sehr wenige menschliche

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