Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Überreste. Insgesamt sei alles Vorgefundene stark verbrannt oder zerstört gewesen. In einer der umliegenden Ortschaften habe man in einer Moschee etwa zwanzig Personen angetroffen, mit denen man eine ruhige und aggressionsfreie Gesprächsaufklärung durchführen konnte. (Wenn hier Zivilisten zu Tode gekommen wären, hätte es einige Aggressionen gegeben. )
Als weiterer Gesprächspartner stand ein amerikanischer Soldat zur Verfügung, der durch Gespräche mit der einheimischen Bevölkerung Folgendes herausgefunden hatte: Vierzehn Zivilpersonen seien getötet und vier Zivilpersonen verletzt worden. Es hätte sich dabei um Personen gehandelt, die zuvor von etwa sechzig in das Dorf gekommenen INS zur Arbeitsleistung gezwungen worden seien. Trotz der eigenen Verluste sei aber insgesamt eine große Freude über den Tod der INS gezeigt worden.
Als zusätzliche Belege für die Beurteilung, dass der Militärschlag in Kundus völlig unspektakulärer Kampfalltag der Bundeswehr in einer Kriegssituation war, können auch die Aussagen der verschiedenen afghanischen Distrikt-Manager angeführt werden, die als Stammesführer mit regionalen Bürgermeistern in Deutschland vergleichbar sind, aber auch die von Angehörigen des Provinzrates von Kundus, vergleichbar mit den Angehörigen des Stadtrats einer Großstadt, die nun aneinandergereiht folgen und als schriftliches Dokument zur Verfügung stehen.
Als Erstes das Statement eines hochrangigen Distrikt-Managers gegenüber einem amerikanischen Brigadegeneral vom 26. November 2009, zitiert nach dem Gesprächsprotokoll des Generals: »Ich frage mich, was wollen die Personen 02.30 Uhr morgens an dem Tankwagen? Ich kann dafür keine Erklärung finden. Vielleicht beginnt jetzt das richtige Vorgehen gegen die INS . Ich möchte auch keine zivilen Opfer, aber warum sind diese Personen dort? Welche unbeteiligte Person hält sich von 22.00 Uhr bis 02.30 Uhr vier bis fünf Kilometer von seinem Dorf entfernt auf? Das sind alles Taliban oder ihre Unterstützer« (Distrikt-Manager von Chahar Darreh, Afghanistan).
Der Distrikt-Manager von Aliabad: »Außerdem ist es schwierig, zwischen Taliban und Zivilisten zu unterscheiden. Wie sieht ein Taliban aus? Leider waren die internationalen Kräfte immer zu nachsichtig mit den Taliban. In der Region, wo das passiert ist, sind circa achtzig Prozent der Stammesangehörigen INS . Meiner Information nach wurden achtundsiebzig Taliban und zehn Zivilisten getötet. Die Führer der Taliban haben ihren Unterkommandeuren Zettel für den Kraftstoffempfang gegeben. Deswegen respektiere ich die Aktion und kann sie nur gutheißen.«
Ein Provinzrat für den Distrikt Chahar Darreh und zugleich Mullah: » INS verstießen gegen die Religion, da im Ramadan keine derartigen bösen Aktionen erlaubt sind. INS verstoßen gegen göttliches Recht, um eigene Vorteile aus dem Unrechtshandeln zu ziehen … Nur möglichst komplettes Bekämpfen bewirkt, dass INS -Strukturen nachhaltig zerschlagen werden … Bevölkerung fragt sich, ob ISAF mit dem bisherigen zögerlichen Verhalten nicht den INS mehr nützt als schadet.«
So weit einige von vielen Meinungen mit vergleichbarem Tenor durch Ortsansässige in Kundus beziehungsweise deren Vertreter. Diesen Aussagen ist klar zu entnehmen, dass die verschiedenen afghanischen Führer zwar unterschiedliche Lagebeurteilungen abgeben, dennoch alle eindeutig die Vorgehensweise der Bundeswehr in dieser Nacht begrüßen. Zu erkennen ist an diesen Aussagen auch, dass eine nicht geringe Anzahl von Personen zu Tode gekommen ist. Auch von Zivilisten wird hier gesprochen. Die Anzahl der Zivilisten ist im Verhältnis zu der Anzahl getöteter INS dennoch gering und nach Aussage der verschiedenen afghanischen Volksvertreter zu vertreten. Da es sich bei den Befragten um Einheimische handelt, darf man wohl zu Recht eine gewisse Glaubwürdigkeit unterstellen, zumindest ist eine Einseitigkeit der Bewertung zugunsten der Bundeswehr relativ unwahrscheinlich. Dennoch fällt es schwer, diese Hinweise als Beschreibung der Realität heranzuziehen, dafür sind die Angaben hinsichtlich der Anzahl der Opfer zu unterschiedlich. Unbestreitbar geben diese Aussagen aber hinsichtlich der Opferzahlen über eine Tatsache Auskunft: Eine erhebliche Zahl von INS wurden getötet, und zumindest nach dem Urteil der ansässigen Bevölkerung kann deswegen von einem berechtigten Militärschlag gesprochen werden. Trotz solcher eindeutigen Informationen ist aber in Deutschland
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