Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Eine Kuppel thronte im Zentrum, fünf weitere im Kreis um diese Mitte herum, doppelwandig, aus plastischem Glas und rotabweisend beschichtet, mit Druckluft aufgeblasen, rund und prall. Die Gehäuse schleuderten rosafarbene Funken. Die Zentralkuppel war am kleinsten, dort würde man wohnen. Die Peripherie enthielt die Versorgung: Energie, Luft, Wasser, Vorräte, das wissenschaftliche Arsenal, Ersatzteile. Notwendige Anlagen beträchtlichen Volumens. Wessen die Menschen bedurften, floß ihnen von dort zu, gesteuert, dosiert, gefiltert, überwacht.
Die regelnden Aggregate beanspruchten Raum, die überwachenden Systeme lieferten Sicherheit und verlangten ebenfalls Raum. Man benötigte sie doppelt. Man brauchte Sicherheit nach innen: Die Bedingungen des Menschenlebens unterlagen Toleranzen von tödlicher Verbindlichkeit, auch die Mannschaft war auf menschliches Versagen zu überwachen. Ebenso bedurfte man der Sicherheit nach außen: Jede fremde Welt hatte zunächst als gefährlich zu gelten. Doppelte Sicherheit erforderte doppelten Raum. Nur die Menschen waren imstande, sich zu bescheiden, sich klein zu machen, schmal und gelenkig, damit sie in alle Winkel unter ihren sechs Dächern gelangen konnten, wohin sie die Notwendigkeit trieb. Die Gehäuse waren vollgestopft bis obenhin. Aber am Ende war die vorgegebene Lösung da, als sei sie die einzig mögliche für diese Welt.
Eine Zeitlang schien es, als sei die Naht zwischen der Routine vor dem Ausstieg, als sie noch alle in der BEAGLE gewesen waren, und der Routine danach hier nun in der Station, bündig, haltbar und gelungen. Das Tempo des Aufbaus wirkte weiter fort und hielt die Leute in Schwung, dann brach plötzlich eine Diarrhöe aus, alle hingen eine Weile herum bis auf Lampoo, der immerfort Pfefferminz lutschte und auch innen zu steril war, als daß die Diarrhöe in ihn hätte hineinkommen können. Er und Rahel Bruceau pumpten die Leute mit Globulinen und mit Silber voll, Globuline und Silber waren genug da, nur das Wasser wurde knapp. Aber der Plan war zu gut, und die Mannschaft war zu gut, als daß man die schwierigen Termine bis F zehn nicht fast spielend schaffte. Die Mannschaft lief wie eine Maschine, und die schmerzhaften Stiche der chirurgischen Naht, mit denen man die beiden Routinen miteinander verbunden hatte, waren so gut wie vergessen.
So schien es.
5.
Giron stand schon eine Weile in Orlows Kabine, ehe er den Mann sah. Das Geviert war von labyrinthischem Bauwerk aus Provisorien, übereinandergetürmten Boxen und Chassis fast völlig ausgefüllt, lianenartig verschlungene Kabel schienen das Ganze aufrecht und zusammenzuhalten, dazwischen lagerte tropischer grüner Dämmer. Wie Leuchtzikaden und Glimmfliegen kroch grünes Geblinker über Monitore oder über die Schirme von Oszillographen, die er noch nie mit Gewißheit hatte auseinanderhalten können. Giron glaubte, der Raum sei verlassen und die Chiffren liefen ungelesen dahin, er entdeckte eine Tasse mit erkaltetem Tee zwischen Mappen voller Papiere, einziges Indiz, daß ein Mensch hier hauste.
Orlow war auf einmal da, wie hinter einem Baum hervorgetreten. Er war einen Kopf kleiner als Giron, trug nur eine grüne Monturhose und ein nicht ganz einwandfreies Unterhemd und stand eine Sekunde abweisend da wie ein Eremit, den man unnütz aus seiner Höhle gelockt hat. Aber dann sagte er: »Salman«, und lächelte Giron an wie einen Vertrauten. Doch plötzlich wurde sein Gesicht ausdruckslos, als er fortfuhr: »Ein Umstand ist so und so, jemand denkt, oder er glaubt zu denken, dann fällt er Urteile, irgendwelche. Menschen werden in Bewegung gesetzt oder angehalten wie… Da sind Leute, die takten etwas ein, oder sie takten es aus… Was ist das, Takt…? Hat er mit Zeitgebern zu tun? Mit Intervallschaltern…? Immer werden Menschen auf etwas zu oder von etwas weg in Gang gesetzt… Menschen… Anlässe… Automatismen…«
Giron blickte unentwegt dem Mann ins Gesicht. Orlow hatte eine scharfe, hochrückige Nase mit einem Knick dicht unterhalb ihrer Wurzel, die Augen lagen lang und dunkel und zu den Schläfen ein wenig aufwärts schwingend unter borstigen Brauen, die zusammengewachsen waren und das Gesicht nach oben schlossen wie ein geschwärzter Balken. Alles andere verbarg sich unter fast schwarzem, nachlässig gehaltenem Bart- und Haupthaar.
»… So vieles läuft gegeneinander. Ein paar simple LagrangeTransformationen werfen dir hin, wie man die Chancen…, wie man die
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