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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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begann zu zucken. Jermakow antwortete nicht.
      »Sie waren der Meinung, die Sonde befinde sich auf Kollisionskurs mit unserem Boot?«
      »Nein.«
      »Nein? Wägen Sie die Worte! Nun?«
      »Nein. Ich wußte, daß es nicht zu einem Zusammenstoß kommen konnte. Kollisionen dieser Art sind äußerst unwahrscheinlich.«
      »Es gab überhaupt keinen Grund zu diesem irrsinnigen Schuß, Mensch! Sagen Sie was!« forderte der Kommandant. Jermakow sah die aufgerissenen Augen Bahrs auf sich gerichtet. »Ich hatte den Befehl dazu«, sagte er.
      »Einen Befehl?«
      »Ja.«
      »Was für einen Befehl?«
      »Der Befehl… Er schrieb mir zwei Handlungen vor: zu annihilieren und nicht zu denken. Zu verdampfen, was vor die Bohre kommen würde. Alles. Ohne Rücksicht auf Art und Herkunft der Objekte. Azimut zweitausend Kilometer. So genau war dieser Befehl.«
      »Wer? Wer kann so etwas befehlen?«
      »Admiral Stratlater. Fragen Sie Admiral Stratlater nach diesem Befehl.«
      Auf dem Gesicht des Kommandanten breitete sich eine sonderbare Ruhe aus. Die Erschlaffung griff auf den Körper des schweren Mannes über, es schien, als zöge er sich zusammen und nähme eine geringere Oberfläche an. Er wandte sich von Jermakow ab, suchte einen Sessel und sank darin nieder. Nach einer Weile regte er eine Hand: Auch Jermakow und Bahr sollten sich setzen.
      Diese Umstände veranlaßten den Leutnant zu einer Reihe von Überlegungen, die mit den Manövern und einigen anderen unverständlichen Verhaltensweisen der Sonde zu tun hatten. Er begann zu frieren. Die Züge seines Gesichts wurden gläsern. Er wußte nun, was in dieser Kabine noch mitgeteilt werden würde.
      »Stratlater gibt es nicht mehr«, sagte der Kommandant. »Den Admiral und seine S vier gibt es nicht mehr. Es ist weniger von ihm übrig, als…«
      Nach einer endlosen Zeit des Schweigens blickte der Kommandant dem Leutnant ins Gesicht.
      Ohne Hast, als habe er die Handlung in Gedanken vorweggenommen, löste der Leutnant das silberne A vom Bündchen seines Kragens, das einzige Zeichen seines Ranges und Berufs, und legte es dem Kommandanten in die dargebotene offene Hand.

    Der Fall Jermakow wurde im darauffolgenden Jahr vor einem der kosmonautischen Disziplinargerichte verhandelt. Das Verfahren verlief ohne besonderes Aufsehen am Rande anderer Ereignisse, denen die Öffentlichkeit größere Bedeutung beimaß. Man sah nicht ungern über Nachgänge dieses »Straßenkehrerprojekts« hinweg, das man letzten Endes als gescheitert einzuschätzen sich gezwungen sah.
      Jermakow tat nichts zu seiner Verteidigung. Infolge einer gewissen Lässigkeit im Stil der Verhandlung erinnerte man sich erst spät der Tonkonserve, auf der die Gespräche in der Annihilationskabine aufgezeichnet sein mußten, auch die Stimme Stratlaters und sein Befehl. Die Konserve wurde gefunden. Sie erwies sich als schwer zu entziffern. Die vielen Lautsprecherstimmen, obgleich gedrosselt, störten und ließen am Wortlaut des Stratlaterschen Befehls eine Reihe von Zweifeln offen. Gleichzeitig klang Kritik an den Motiven Stratlaters selbst an. Weniger im Hinblick auf die Härte der Formulierung seines Befehls an Jermakow als hinsichtlich seiner Handlungsweise nach Verlassen des Bootes, auf dem Jermakow Dienst tat. Jermakow schwieg zu diesen Umständen. Man behandelte die Dinge mit großer Vorsicht und vermied, wo immer es anging, jede Form der Eindeutigkeit. Sie wäre auch schwerlich aufzufinden gewesen.
      Jermakow wurde freigesprochen.
      Aber dem Leutnant – er wurde in seinem Rang rehabilitiert – gelang es mit den Jahren immer weniger, sich selbst freizusprechen. Er wechselte den Beruf und bemühte sich um Verwaltungspositionen bei reisenden Mannschaften. Er selbst bekannte sich zu einem Makel. Und stillschweigend erkannten auch die Menschen um den Ing.-Leutnant Jermakow diesen Makel an.

    4.

    Die Station fügte sich so harmonisch in die Landschaft wie Christbaumkugeln in die Zweige des heiligen Banjan. Rosafarben glitzerte die zu Technik verkörperte Frucht menschlichen Drängens inmitten der Stille. Niemand hatte das bemerkt, aus Mangel an Zeit. Und weil es der Plan so vorsah. Weisungsgemäß war man Bedienungsanleitungen gefolgt. Nicht mit dem Finger auf der Zeile. Solcherart Tätigkeit hatte glatter zu laufen, die Schnelligkeit ihres Ablaufs war durch kalkulierte Begeisterung abgesichert. In diesen Dingen hielt der Plan die Fäden kurz.
      Es war also gelungen.

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