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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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des Zwiebacks und der verbeulte Dulli blieben liegen. »Wie du willst«, sagte Tschuk, »so ein Unsinn. Da muß ich den eben mitmachen.«

    Die nächsten Wachen brachten Betrieb in Jermakows Klause, danach ins Analysenhaus, das Flußwasser begann schon zu wirken: Mineralstoffgehalt, Deuterium und Organik waren zu ermitteln, Festkörperklassierung, biogene Toxikologie, Strahlung und Gase. Es gab Auftrieb durch Perspektive, die Leute waren zu beschäftigt, um die Reichweite dieser Perspektive zu bedenken.
      Die Verhandlung mit Lampoo verlief unbefriedigend. Lampoo setzte seine Verdrossenheit um in Impulse für das toxikologische Pensum, das er im Zusammenhang mit dem Wasserprojekt übernommen hatte. Er brauchte Blut. Seine Wahl traf auf Blicher. Er fand Blicher im Wasserhaus, Verbundarmaturen prüfend.
      Lampoo zog die Kanüle aus der Vene, gab dem Mann einen Tupfer und sagte: »Drücken!« Ein Duft von Minze sättigte die sanitäre Frische

    seiner Cleanmontur, als er sich aufrichtete. Sein Blick traf von oben auf die beträchtliche Fläche von Blichers knotig muskulösem Rücken.

    Blicher redete euphorisch fistelnd über technische Details der neuen Wasserversorgungsanlage. Lampoo hörte nur halb zu, während er das Blut auf ein Sortiment von Röhrchen verteilte, er wartete auf seine Gelegenheit. »Der Chef hat auf lustbetontes Leitungsprinzip geschaltet«, sagte er, als Blicher endlich den Kopf durch ein T-Shirt zwängte. »Er wünscht, Unmut mit Flußwasser zu verdünnen.«
      Blicher blinzelte mißtrauisch. »Hast du was gegen das Wasser aus dem Fluß? Gegen lebendiges Wasser?«
      »Und was ist das, lebendiges Wasser?«
      Blicher preßte den Tupfer in die Armbeuge. »Etwas anderes als die Chemie, die wir trinken, die hier in den Rohren umläuft. Aus der Spüle, der Kühlung, den Gullys und aus dem Klo.« Er hielt eine Sekunde inne. »Wasser! Wasser, das über Steine floß und unter dem Wind. Wasser, in dem etwas lebt«, erklärte er mit argloser Ergriffenheit, soweit seine behinderte Stimme eine solche Regung auszudrücken vermochte. »Die erste gescheite Idee von dem Mann.«
      »Aha«, sagte Lampoo. »Und was zum Beispiel soll drin leben?«
      Blicher schwieg, abwartend.
      Lampoo sagte: »Wenn ein Klümpchen Hefe Zucker spaltet, dann muß es den Zucker zuvor in einen Harden-Young-Ester umbauen, sonst klappt die Spaltung nicht. Die Sache läuft in der Hefe und in dir, Blicher, und in einer Probe Biolith aus den Gärten der Sira genau gleich ab, nach dem gleichen Schema F. Und überall sitzen Mikroben und Toxine auf der Lauer, die genauso funktionieren, die genauso einfallslos töten. Überall. Auch hier. Wir benutzen Hermetikmonturen S sechs mit Druckgassystem und atmen durch G-acht-Filter, wenn wir draußen sind. Auch die Station ist ein Hermetiktyp mit zwei der teuersten Schleusensysteme, die es gibt.« Dann endlich schoß Lampoo seine Pfeile ab: »Weil wir Angst haben vor der Luft. Mit Recht, mein Junge, mit verdammtem Recht. Und dann soll ich wildes Wasser trinken, weil es über deine Steine floß.« Und im Gehen mit kaum verhohlenem Behagen, während er schon unter dem Rollo stand: »Das ist mein Pensum. Meins und nicht Andrejs oder Tschuks oder das x-beliebiger Amateure. Ein Kurzschluß, Jan Blicher. Ein Kurzschluß!«

    7.

    Giron kauerte vor seinem Wetterbesteck. Optisch schien alles zu stimmen. Ein freundlicher Wind spielte mit Dosimeterfolien, die zum Auswechseln bereitlagen. In Wahrheit stimmte nichts, gar nichts. Die meteorologischen Indikationen waren dumm und zu nichts nütze. Die Steine, in die er seine Stiefel stemmte, verhielten sich launisch wie Pingpongbälle, wie Bosheit, zu Halden gehäuft. Seit er in dieser unsinnig weiten Landschaft lebte, überschwemmte unbewältigte Substanz das Fassungsvermögen, zu viele Gedanken schwirrten wie blinde Vögel in bunter Leere umher. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Ana in seiner Nähe, und er hörte den Verschluß ihrer Linhof klicken.
      Unversehens erschien ihm ein Bild der Frau hinter dem Sucher der Linhof, das sie ihm wahrhaftiger vorwies als der Augenschein. Das Antlitz war nackter als je zuvor. Er sah den viel zu großen Mund mit den sinnlichen, bestürzend behenden Lippen, die ein wenig verspannt waren jetzt und schief im ewig blassen, breit geschnittenen Gesicht. Das erhabene Muttermal, bräunlich, ein Chip neben der Nase, die großen Augen, dunkel und glänzend vor Begehrlichkeit. Ebendas war das Wesentliche an diesem

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