Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
Vom Netzwerk:
lebendig aus. Atem, ein Kranz großer dunkler Lemurenaugen, von denen hernach niemand zu sagen vermochte, wie viele es gewesen waren, und das seltsame Spiel der Glieder. Die Frauen standen so nahe beieinander, wie es ging. Plötzlich brach Ana aus dem Schutz der Gruppe aus. Sie glitt zwei Schritte voran und streckte den Fremden ihre geöffneten Hände entgegen. Zwei Glieder schlängelten sich auf Ana zu, schwarz, biegsam und voller Gelassenheit, bis ihre äußersten Spitzen Anas Hände berührten. Jede der Spitzen gabelte sich in ein Paar überaus beweglicher Finger. Die Finger schmiegten sich in Anas Hände, die nun schon fast nicht mehr zitterten. Andere Arme neigten sich Rahel und Judy zu, mutige Schritte, drei Brücken wurden geschlagen. Da griffen die fremden Finger zu, unversehens, kräftig und dreist. Die Baals bugsierten die Frauen in ihre Mitte, umfingen sie mit verwirrend vielen Gliedern, trachteten danach, die Finger der Frauen ineinander und mit ihren eigenen Fingern zu verflechten, und als es ihnen gelungen war, begannen sie wie wild auf der Stelle zu hopsen, und sie rissen die Frauen mit sich hinauf und hinab. –
      Eins der neuen leitungstechnischen Organisationsmittel in Jermakows Messe war eine metergroße fotogrammetrische Darstellung des umliegenden Geländes sowie eines Detailabrisses der Station selbst, die die genauen Standorte jedes Mannschaftsmitglieds anzeigte. Die Leute hatten Orter mit sich zu führen. Die Orter erzeugten auf den Karten Lichtpunkte, die nach Farbe und Blinkmuster Namen und Auftrag der Personen kodierten. Das Ganze war mit Information überladen und verwirrend. Aber aus Gründen, die sich keineswegs nur auf Erfahrungen in den ersten Tagen ihres Aufenthalts zurückführen ließen, hatte Jermakow auf der Installation bestanden. Er liebte derartige Anlagen und hielt sie für angemessen, bevorzugte den fixen Standort für sich selbst, die Messe, genoß das Gefühl des Strategen und elektronische Indikationen. Es freute ihn, daß jener Lichtpunkt den Mann Giron markierte, Giron, die Wetterstationen ablaufend und mit dem Auftrag, am Fluß Wasserproben zu schöpfen, jener andere Punkt Ana Reis, die Giron begleitete. Er delektierte sich an der Genauigkeit, mit der diese Indikationen mit dem Protokoll übereinstimmten.
      Indessen war ihm über seinen Beschäftigungen in der nachfolgenden Stunde entgangen, daß die beiden Punkte weiter auseinanderwichen, als es das Protokoll zuließ, wie sich zunehmende Distanz zwischen sie schob und Ana allein zur Station zurückzukehren schien. Dann aber kam der Augenblick, in dem Jermakow seiner Versäumnisse inne wurde. Zwar konnte er von der Messe aus nicht ohne weiteres nach draußen sehen, um zu erfahren, was dort wirklich geschah, aber er hielt das auch nicht für notwendig, denn seine Anlage wies mit hinreichender Eindeutigkeit aus, daß es sich um Unplanmäßiges handelte. Und so fiel das Scheppern des Lautsprechers wie ein Guß kalten Wassers in den grotesken Tanz neben dem Schleusenrollo. Jermakow nannte jede der Frauen beim Namen, als er sie in die Messe befahl.
      Sie seien sogleich am Boden abgesetzt worden, behutsam entflochten aus den vielen schwarzen Gliedern, freundlich und ohne Hast, sagten sie später. Ja, das Gehopse habe sie erschreckt, nicht nur das Gehopse zunächst, es sei aber nichts von Gewalt zu spüren gewesen oder gar von Gewalttätigkeit. Ausgelassenheit hätten sie empfunden oder Übermut. Auch von anderen Gefühlen war die Rede, die zu beschreiben die Frauen mit sonderbarer Zurückhaltung vermieden. Vielmehr seien die Baals selbst erschrocken, als sie Widerstand spürten gegen die Hopserei. Sie hätten den Kopf hängenlassen hernach, als sie sich davonmachten, quasi, und sofern von einem Kopf die Rede sein könne…
      Die Baals sprangen davon, wie sie gekommen waren. Ana hielt die Handflächen offen, als wolle sie eine verletzliche Spur bewahren. Judy rang nach Luft, sie hob ein Steinchen auf, um der plötzlichen Leere ihrer Hände zu begegnen, ihre Stirn war mit rotem Haar beklebt. Rahel schlenkerte ihre Hände durch die Luft und sagte: »Hoppla! Gehen wir rein, stellen wir uns an Andrejs Marterpfahl…, diese spillrigen Samtfingerchen, mon Dieu, ein Dreh ist da drin, irgendein schnuckliger Dreh. He, Ännchen, was ist los mit dir?«
      Ana stand noch immer da und starrte wie in Trance auf ihre geöffneten Hände.
      Aus der Ferne wehten bebende Töne wie von dünnem, brechendem Glas. Das Klirren

Weitere Kostenlose Bücher