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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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Menge schwarzer Käfer da, rundliches, ineinander versponnenes Kleinzeug, das wie irrsinnig über die Steine schoß. Alsbald schien es Giron, als ob sich der Schiefer selbst bewege; er hatte genug Mühe, die alberne Gangart zu meistern, auch ohne diese Käfer.
      »Rahel erzählte, Jermakow habe seine Hände gerungen. Dem sei momentan wie einem Linearrechner, den man mit zu verzweigten Programmen gefüttert habe, wie der Rechner stehe er fortwährend in einer offenen Kann-Phase, und das sei für ihn ein sehr unangenehmes Gefühl.«
      »Ach«, fragte Giron, »das glaubst du auch?«
      »Was?«
      »Daß er fortwährend wählen muß. Fortwährend – und fast immer gegen sich selbst.«
      »Ich weiß nicht. Rahel sagt’s. Sie versteht etwas von Leuten und von Rechnern. Sie hat früher mal was damit zu tun gehabt.« Ana war stehengeblieben, blickte, steil zu Giron hinauf, und ohne daß er die winzigste Spur von Arglist hätte erkennen können, sagte sie: »Jetzt ist dir besser, nicht wahr?«
      Giron sah die einfachen Linien ihres Körpers unter dem Anzug aus weißer Wolle, den Schmuck der Lichter auf dem Glas ihres Overalls und den Chip neben der Nase, und er stand nur da und wartete auf die dunkle und rauchige Stimme.
      »Auch ich habe immer mit Leuten zu tun gehabt, schon als Kind auf Delta Nc«, sagte Ana, »da war alles nur weiß, weißer Kalk und weiße Sonnen und weißer Himmel, und es war eine Menge wunderbarer Leute dort.«
      »So wunderbare wie hier?«
      »O ja. Ich mag die.«
      »Alle?«
      »Was für eine dumme Frage. Eine Giron-Frage«, sagte Ana. »Das sind doch wir. Es gibt hier keinen Menschen außer uns. Keinen einzigen.«
      Die einfache Wahrheit wirkte wie ein Überfall. Giron ahnte das Aufkommen bedrohlichen Brodeins in der Leere seines Hirns. Er wußte nicht, woher dieser Antrieb plötzlich über ihn kam. Er glitt dicht an die Frau heran und griff nach ihrem Arm. Ana faßte sich gut an. Es verwirrte Giron, wie gut sich Anas Arm in seine Hand fügte. Er hatte nicht gewußt, wie es war, Ana zu berühren, sie war in all den Jahren nie sein Mädchen gewesen. Seit dem Ausstieg war er allein.
      Ana sah ernsthaft und ruhig und geradenwegs zu Girons Augen hinauf. Sie tat nichts, um sich aus seinem Griff zu befreien.
      Giron löste seine Finger, die Hand blieb in der Schwebe, er schaute auf die Hand hinab, abwartend, als sei sie es, die entscheide, wie die Dinge weiterlaufen würden. Irgend etwas stand auf der Kippe. Alles war lose und geriet in den Bereich des Möglichen.
      »O Salman«, sagte Ana und setzte sich eilfertig wieder in ihren anmutigen Trab. »Ich mache mir Sorgen um Boris Orlow. Er spielt wie verrückt mit dem Ding, das du ihm gegeben hast, er ist blaß und fahrig. Auf den Schirmen in seiner Höhle macht er Bilder, merkwürdige Bilder, solche wie Schichow, und redet Sachen, die man nicht versteht.«
      »Wer ist Schichow?«
      »Du hörst mir nicht zu«, sagte Ana. »Wir reden von Boris Orlow, und ich sagte, du solltest mal nachsehen, wie es ihm geht.«
      »Er macht Bilder?« fragte Giron. »Was denn für welche?« Aber da blinkten die Kuppeln der Station vor ihnen auf. Die Sonne füllte die Gebäude mit rotem Licht. Grüne Schatten huschten im Innern umher. Giron wußte, daß die Gefährten dort unter den Dächern ihrer Arbeit nachgingen. Er sah die Figuren zu scharf und zu klein, mit insektenhaftem Gehabe prellten sie vor und zurück, eine Bremse schien gelöst, ein Film zu schnell herunterzuschnurren. Die Dinge sahen aus, als strebten sie einem unerwarteten Ende zu. Im fast nämlichen Augenblick schwangen sich Töne über das Land, noch von weit her kommend, unangemessen der schwachen Tragfähigkeit der Luft. Klirren wie von Glas, das zu Scherben zersprang, einbrechend in die Gewöhnung an Stille. Die Töne wuchsen, erstarben und pflanzten sich rundum fort, in Wellen, als kehre vielfältiges Echo von Wänden zurück. Aber es gab hier keine solchen Wände. Das Land war flach und nur von Scharen schwarzer Blumen gefleckt.
      Ana stand da wie erstarrt. Sie hielt die Lippen ein wenig geöffnet. Giron sah den feuchten Glanz auf diesen Lippen und den Glanz der Augen, von denen er glaubte, daß sie groß und dunkel seien vor Begehrlichkeit.

    8.

    Sechzehn Wachen verstrichen. Barnards roter Stern hatte den Himmel sechsmal überwandert, ihn grün gefärbt und stand nun im siebenten Mittag dieser Welt.
      Man fügte sich ins Unumgängliche. Man tat,

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