Schwarze Blumen auf Barnard Drei
lagen dann auf den Steinen, verbeult wie hingeworfen, halbgefüllte Säcke. Ein bißchen Durcheinander dort, einige Purzelbäume, abklingende Aufregung, Stille. Der Schiefer verblaßte gegen solche Schwärze.
Rahel erwachte aus der Reglosigkeit. »Mon Dieu! So was hatten wir noch nicht hier.«
Die Blumen wedelten noch in der Luft und begannen sich einzurollen. »So was?«
Rahel hörte Förmlichkeit und Unwillen in Anas Frage. »Die waren da, als du ankamst? Was sind das für welche? Hast du nachgesehen? Nein, nicht wahr? Gehen wir hin? Wo ist Giron?«
Ana hieß Rahel mit einer Geste schweigen. Sie stand noch so da, wie sie die Frauen gefunden hatten. »Unten am Fluß… Ich dachte daran, wie… Auf einmal waren sie da, so schwarz und groß. Ich war allein dort, Giron bei seiner Station, und als ich sie sah, wollte ich heim. Sie waren so schwarz und so groß und folgten mir… Bis dort, wo sie nun sitzen. Bis dorthin blieben sie mir auf den Fersen…«
»Hu«, machte Rahel mitfühlend.
Ana lächelte zaghaft, sich eben vergangener Gefühle erinnernd. »Bleibt«, sagte sie. »Bleibt hier bei mir, sie werden herkommen. Sie springen. Ihr wißt nicht, wie sie springen…« Die kleine Person hob die Arme hoch, um darzutun, wie ihre Begleiter zu springen vermocht hatten. Die Hände langten nicht weit hinauf, aber Rahel sah, welch beeindruckende Höhe Ana anzuzeigen wünschte.
Plötzlich schwollen die schwarzen Körper an, ihre Umrisse verschwammen, durchscheinende Ränder verformten sich zu Hörnern, die heranwuchsen und sich aufrichteten wie Paare in die Luft geworfener Arme.
Judy hatte sich noch nicht von der Schleuse gerührt und stand dort, als ob sie friere. Sie sagte: »O Ana, jetzt sehen sie aus wie du.«
Danach gerieten die Arme drüben in Bewegung, sie spreizten auseinander, begannen zu kreisen, vorwärts, rückwärts, und dann verschlangen sie sich zu Arabesken von sonderbar menschlich wirkender Anmut.
Ana und Rahel blickten dorthin, Rahels Kopf fuhr zu Judy herum. Judy posierte wie eine Tänzerin. »Judy, o Judy!« rief Rahel, als sie das Spiel begriff, »immer vergesse ich, wie gut du bist. Es hätte meine Idee sein müssen, aber immer bist du mir eine Länge voraus.«
Auf einmal glänzten Schweißtröpfchen auf Judys Nase, rote Haarsträhnen hatten sich gelöst und wippten vor ihren Augen, Judy suchte sie wegzublasen, starrte zu den Schwarzen hinüber, redete zugleich, ein wenig atemlos und verstrickt in das absonderliche Ballett, für das sie immer neue Posen erfand. »Macht was… Wir müssen etwas tun, etwas Richtiges… Es gibt Programme dafür… Rahel, schnell.«
Rahel sah Judys Augen grün und dunkel werden, sie warf ihren Kopf wieder herum in die Richtung, in der die Schwarzen tanzten. Deren Substanz faserte zu immer neuen und immer zarteren Gliedern auf, schien sich zu verdünnen bis zur Durchsichtigkeit, und am Ende war da nur noch sonderbares Wallen wie von schwarzer, verdichteter Luft.
Ana sagte: »Seht euch das an. Was sind wir für grobe und eckige Ziegen.«
Da sprangen die Schwarzen. In Wahrheit sahen die Frauen nur eine dunkle, gleichsam verschwimmende Wolke vom Boden abheben, aber sie sahen auch, während sich die Wolke näherte, daß es doch drei Körper waren. Die Substanz zwischen den Körpern löste sich zu hundert zarten Gliedmaßen auf, die sich ineinander verschlangen, als hielten sie sich im Schweben mit ebenso vielen Händen aneinander fest. Drei schöngeformte Bögen, gedehnte Zeit, drei lautlose Landungen. Zwei Schritt vor den Frauen ging das nieder, weich wie Samt. Das Gepluster schrumpfte, wie ein Vogel Gefieder an sich zieht.
»Oh«, sagte Rahel zurückweichend, »wir hätten einen Mann mitbringen sollen«, und dann wandte sie sich mit einer Verbeugung, indem sie Ana und Judy mit sich zog, dem Schwarzen zu, der ihr am nächsten war. »Sir Black Hieronymus Baal, wir haben die besten Absichten! – Mon Dieu, Ana, aus der Nähe sind sie wirklich stattliche Herren.«
Rahel war eine schöne Frau. Ihr Gesicht bildete ein schönes, regelmäßiges Oval, alles in diesem Gesicht war schön, regelmäßig und kühl. Zu kühl.
Aber wenn sie lächelte, wurden zwei schiefe Eckzähne sichtbar, und die Kühle verwandelte sich in Liebreiz. Rahel wußte das. In diesem Moment mochte es ihr vielleicht entgehen, daß sie auch diesen Kobolden ihr hinreißendstes Lächeln schenkte.
Die Schwarzen sahen ungeheuer
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