Schwarze Blumen auf Barnard Drei
auch welche. Salman, warum antwortest du nicht, wenn man dich fragt? Judy hat nichts vor mit Poul. Nicht so was. Aber sie kann nicht nein sagen, sie ist kein bißchen pfiffig, und er macht mit ihr, was er will.«
Das Bild stellte nicht mehr als die Verteilung von Hell und Dunkel vor einer strukturlosen Fläche dar, die Giron für ein Stück Himmel hielt, ein Geflecht vor diesem Himmel in angenehmer Regelmäßigkeit, die gleichwohl keins der Muster identisch wiederkehren ließ.
»Boris hat Probleme mit Andrej und mit allem möglichen, aber er läßt sich nicht helfen. Er lacht, wenn ich’s versuche. Ich darf ihm nur die schwarzen Sachen von draußen mitbringen, Bonifaziuspfennige, die er haben will. ›Bring Bonifaziuspfennige mit‹, sagt er, immer dasselbe. Andrej würde vereisen, wenn er es wüßte. Ach, der Arme. Boris hat Bilder auf dem Schirm, wie ich sie nur bei Schichow gesehen habe. Aber was sollen wir damit? Ich denke, wir machen hier alles falsch.«
Giron hörte der rauchigen Stimme zu. Gewisse Formen technischer Bauwerke gingen ihm durch den Sinn und Formen gewachsener Natur. Wie von selbst schienen sie zu Chimären zu verschmelzen, Orlows orientalische Augen blickten unter dem Balken der Brauen hervor und durch das Gitter des Bildes hindurch, irritierend, lächelnd. Giron empfand die Leichtigkeit der vor dem Himmel schwebenden Maschen, und dann floß all das zu einem Gewirr von Gedankenfäden zusammen. Er sagte: »Womöglich ist das, was uns rettet, unsere Unzulänglichkeit. Die Unvollkommenheit des Falschen, von dem du fürchtest, daß wir es tun.«
»Hübsch, was?« sagte Ana, als Giron gar nicht von diesem Bildchen weichen wollte. »Ach, Salman, was ich für eine Sehnsucht nach richtigen Radieschen habe. Nach einem ganzen Teller voll.«
»Daß unsere Absichten und Pläne immer von Fehlern durchsetzt sind. Stärke als Unfähigkeit zur Perfektion.«
»Boris war fasziniert, als er das Bild bemerkte.«
»Ach. Dies hier?« Giron wandte sich Ana zu. Er hatte vergessen, weswegen er gekommen war.
So gern er es vermieden hätte, manchmal, wenn er müde war, kamen sie doch unweigerlich auf die Boolies zu sprechen, sei es auch nur, weil die Bilder ebendieser Wesen an den Wänden und in Anas Mappen fehlten. Unter den Gegenständen, zu denen sich Ana äußerte, spielten die Boolies immer eine herausragende Rolle, und immer regte sich Leidenschaft in der Stimme der Frau. Giron entgegnete ihr behutsam, befangen und selten ohne Absichten. Mit dem Blick auf die Zukunft und auf Berechenbarkeit in Anas zukünftiger Handlungsweise widersetzte er sich der Schwärmerei, die sie der Intelligenz und den physischen Möglichkeiten der Boolies entgegenzubringen schien.
Anas Ohren hörten aus seinen Argumenten immer nur eine einzige Richtung heraus, die, wie sie meinte, ihre Boolies herabwürdigende Richtung. Von diesem Punkt aus hatte die Konversation nun schon einige Male den gleichen und doch stets unerwarteten Verlauf genommen. Ana verschloß sich, griff nach falschen, beleidigenden Worten, Giron schickte sich an zu fliehen, Ana fiel ihm um den Hals, um ihn daran zu hindern, verzweifelt und zitternd wie von Verlassenheit. Plötzlich erblickte Giron die Härchen ihrer über der Nase zusammenstoßenden Augenbrauen, er sah ihre Wimpern so nahe, daß er sie hätte zählen können, seine Haut spürte die Haut Anas, die rauh war wie die Schale einer Frucht, an die er sich zu erinnern glaubte, oder geschmeidig durch die Nässe von Tränen. Er wurde von ihrem Duft überfallen, von ihrer Wärme und eifernden Hingabe an ihn. Urteile, Vorurteile, Barrieren zerflatterten ins Nichts. Für eine Stunde.
Als sich die Freiwache an einem der folgenden Tage gegen Ende der planetarischen Nacht zum Abendessen versammelte, ereignete sich etwas so Unbedeutendes, daß es kaum jemand registrierte. Aber Giron nahm es wahr. Mit dem Charme eines Bären schickte sich Tschuk an, eine seiner mehr oder weniger regelmäßigen Verabredungen mit Ana einzufädeln. Giron vermeinte, seine Sommersprossen begännen zu glühen. Dann sah er die Ablehnung, wie Ana unter Tschuks Tatzen wegtauchte, lachend. Daraufhin hatte Giron einige Mühe, still zu sitzen, sein Blut schien doppelt so schnell zu kreisen wie zuvor, er schalt sich den blödesten Experten im ganzen Pfeilsternsystem und machte sich über die Mahlzeit her. Danach ging er zu seinem Wetterlabor.
Giron betrachtete den kräftigen Schein der Diode, die vor
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