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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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springen, näher oder ferner. Da waren Ketten aus schwarzen, sonderbar formlosen Perlen, und irgend jemand Unsichtbares schien jeweils das Ende einer solchen Kette immerfort auf und ab zu bewegen, so daß sie Wellen schlug. Vom Faden der Kette sah er nichts, aber er wußte, daß sich die Boolies mit ihren dünnen Armen aneinander festhielten und einander umschlangen, wie es ihre Art war, und wie sie, einer nach dem anderen springend, dieses anmutige Wallen zuwege brachten. Auch Grüppchen von Painies sah er zwischen den Hügeln rollen wie gigantische haarige Samen vor dem Wind. Er wunderte sich über die Anzahl der schwarzen Kobolde, die er an diesem Morgen zu sehen bekam, und er glaubte Eifer und Zielstrebigkeit in ihrem Dahineilen zu erkennen.
      Ein wenig später gab es wieder den Ärger mit den Pingpongbällen, die die Flußaue ankündigten und unter den Stiefeln hervorstoben wie Geschosse. Dennoch genoß er dies alles. Und dann, als es ihm schon gelang, wieder rüstiger auszuschreiten, holte ihn ein Schwarm schwarzer Käfer ein, die er schon kannte.
      Zuerst sah er nur eine Trübung der Luft, einen Schatten, der auf ihn zuwehte. Dann fiel der Schatten über ihn her, löste sich auf zu Hunderten von schwarzen, fliegenden Blättern oder zu schwarzen Schmetterlingen, die ihn umschwärmten, spielend, neugierig, aufdringlich wie Fliegen. Sie hefteten sich an seine Hände, erst einzelne Pärchen, dann viele, so viele nur irgend Platz fanden auf den Fingern.
      Während er noch auf seine Hände sah, suchte ihn selbst Neugier heim, heftig wie Hunger oder sonst ein unabweisbarer Trieb. Er setzte sich auf die Steine, betrachtete die schwarzen, vielstrahligen Sternchen, die Asseln, die Rädchen mit den unsinnig langen Zähnen, die dennoch bündig ineinandergriffen, regelrecht wie die einer Transmission. Ratlos noch über das Ungestüm seines Eifers, begann er zu zählen, zählte dreiundachtzig Strahlen oder Zähne für jedes Rad, kam auf andere Zahlen, verbiß sich in das Problem, am Ende waren es doch immer dreiundachtzig Zähne, Arme oder Beine, je nachdem. Und dann schwoll die Neugier auf einmal zu etwas überaus Süßem, Hinreißendem an, das die Zahlen wegschwemmte aus seinem Hirn, zu einem überaus angenehmen Gefühl.
      Plötzlich spürte er etwas ganz anderes unter seinen Händen: die Haut eines Menschen. Nicht irgendeines… Die rauhe, aufregende Haut Anas. Und Anas Haut, geglättet von Tränen. Wie ein Sturm überkam ihn wilde Lust auf die Frau. Mit Entsetzen wehrte er sich, machte seinen Körper steif, spreizte die Finger weit auseinander, schickte sich an, um sich zu schlagen, erlahmte aber sogleich und versackte in honigfarbenem Rausch.
      Danach fand er die Hände hell und leer, die Flocken hatten sich verflüchtigt wie ein Spuk, er saß allein auf den Steinen, erfüllt von Gier und Schani. Wie ein verschreckter Vogel sein Gefieder schüttelt, beutelte er sich selbst. Wirklich ließ die Hitze nach. Er sprang auf die Beine, der Trick fiel ihm ein, Anfechtungen auf etwas anderes zu übertragen, auf etwas außer ihm selbst, was mit dem Verstand zu erfassen war. Da sah er den Mast des zweiten Wetterpunktes über die Böschung ragen.
      Der Mast markierte das Ende seines Abstechers. Einige hundert Schritte noch, bis sich das Tal und der Fluß vor ihm auftun würden. Er sandte einen Blick rückwärts zur Sonne, die mit fast vollem Rund über den Horizont gestiegen war. Wieder und wie immer zu dieser Stunde war die Sonne riesig und ernst. Er erinnerte sich des Augenblicks, als er den Schatten Anas vor dieser Glut hatte stehen sehen, und des Bildes der Sonne im Fluß, das die Wellen zu tanzenden Scherben hatten zerbrechen lassen. Auch jetzt sah er die Sonne von Rissen durchzogen. Er erschrak. Ein paar der vertrackten Pingpongbälle schossen ihm unter den Stiefeln davon. Wieder schien die Sonne zerbrochen, nur daß es jetzt die richtige Sonne war. Er blickte genau dorthin und glaubte die Täuschung zu durchschauen. Wie damals war es ein Schattenbild. Zwischen der Sonne und ihm, Giron, ragte ein himmelhoch rankendes Geflecht auf, ein neues Gebilde dieser Welt, und wieder sah er diesen Schatten eingeschrieben in die glühende Scheibe wie ein Zeichen.
      Sonderbar durchbrochene Figuren defilierten in langer Prozession vor der Sonne vorbei. Er bedachte die unmögliche Höhe dieser Gebilde und glaubte für einige Augenblicke, was er sehe, sei ein Gefüge des Himmels selbst, Maschen aus verdichteter Luft.

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