Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Tausendvierzehnercharge interessiert mich«, schrie der Schwarze in Prouzas Richtung, »mit der habe ich es wirklich eilig!«
»Eben«, schrie Prouza zurück, um die Lautsprecher zu übertönen.
»Eben? Was soll das heißen?«
»Du hast es verdammt eilig.«
»Aber das bin ja ich«, sagte der schwarze Doktor plötzlich und mit einer Geste nach oben, woher die Maschinenstimme zu schallen schien. Dann erledigte er den Ruf aber mit nichts mehr als einer eleganten Handbewegung und schrie: »Könnt ihr das nicht mal abstellen, Kinder? Wieso eilig? Wer sagt das?« fragte er, als die Stille wiederkehrte und mit ihr das vergleichsweise dezente Pfeifen der Zentrifuge. »Wir haben soviel Zeit wie eh und je.«
»Ach«, sagte Prouza, »die Statistik der Ökonomen sieht anders aus.«
»So?«
»Aus deinem Labor kamen in den letzten Wochen ziemlich ebenso viele Varianten des Moleküls wie zuvor in einem ganzen Jahr, sie alle unterscheiden sich nur in den Aminosäureketten des Gammastrangs.«
»So?« M’Babwas Miene wies heiteren Unglauben vor.
»Die Eile datiert auffällig genau von einem gewissen Augenblick an, als jemand verriet, daß er dicht vor der Lösung stehe.«
»Das hätte jemand verraten? Wie denn?« Prouza antwortete nicht. Man hörte die monotonen Mädchenstimmen, die die Sequenzen von den Schirmen lasen und ansagten, das Pfeifen der Zentrifuge kletterte jetzt mühsam über die Grenze der Hörbarkeit.
»Er müßte fortwährend das Röntgendiffraktometer besetzen«, sagte der Schwarze, als hätte er nachgedacht, »gibt’s da jemanden?«
Prouza fuhr fort zu schweigen und grinste dem Afrikaner ins Gesicht. M’Babwa begann, das Grinsen zu erwidern, breiter, als es Prouza vermochte, dann sagte er: »Gut. Du hast gewonnen. Reden wir also von Lampoo.«
Weiter hinten entstand Unruhe. Einige Weißbekittelte eilten quer durch den Raum.
»Was macht er denn eigentlich?« fragte der Schwarze. »Die zehn Minuten sind um, ich müßte gehen.« Er blickte scharf dahin, wo die Leute zusammengelaufen waren, und sagte: »Die Analytiker sind empfindliche Leute. Man darf sie nicht fahrlässig verdrießen.«
»Nichts«, sagte Prouza.
M’Babwa-King reckte sich hoch und richtete seine Aufmerksamkeit auf die kaum hörbar wimmernde Zentrifuge. »Man sagt, er produziere enorme Mengen von Candida-Kulturen.«
»Er macht nichts«, sagte Prouza. »Die Kulturen sind Staffage, Demonstration. Ich denke, Lampoo macht nichts.«
Schrill schwang ein Ton durch den Raum, eine halbe Sekunde später begannen mehrere Zimmersirenen zu heulen.
»Ich weiß«, schrie der Schwarze, ohne sich Prouza zuzuwenden. »Deshalb schuften wir hier wie die Irren.«
Prouza flüsterte: »Du bist ein Schlitzohr, King.«
M’Babwa hatte es dennoch gehört, warf sich zu einer herrischen Haltung auf und zischte von oben auf Prouza herab: »Es ist gut, daß du es bist, der das sagt.« Im Augenblick, den er benötigte, um sich von Prouza abzuwenden, verwandelte sich seine Stimme zu samtener Schmiegsamkeit. »O ihr Mädchen«, sagte er, »muß das denn sein?« Er hob die Hände an seine Ohren und schritt lässig auf die Zentrifuge zu. Jetzt erst bemerkte Prouza, wie mitgenommen der Kittel aussah, in dem der Mann steckte.
Man mochte in der Tat einen merkwürdigen Eindruck von der Art bekommen, in der Lampoo seine Forschungen betrieb, sofern man den richtigen Zeitpunkt erwischte für einen Besuch in Lampoos Labor. Indessen, jeder beliebige Zeitpunkt war wohl richtig. Man würde von sehr beschäftigten Leuten mit einem Nicken oder mit einem Wink in Richtung des Kabuffs bedeutet bekommen, wo der Mann zu finden sei. Er saß da drin im Sessel vor der Maschine, träge, wartend. Nur ab und an langte er nach dem Rechnermanual, um einen anderen Kanal zu öffnen, durch den andere Informationen aus anderen Quellen auf die Schirme der Maschine flossen. Der Strom dieser Nachrichten zog unaufhörlich vor dem einsamen Leser dahin, und es roch nach Minze.
Lampoo hatte zuvor einige Weichen gestellt. Einen ganzen Tag lang fragte er alle einschlägigen Bibliotheken und Nachrichtendepots der Welt nach der alten Arbeit ab über jenes Pepton. Er fragte unter allen im Hause denkbaren Stichworten und erfuhr, daß sich die Arbeit unter keinem dieser Stichworte abfordern ließ, ausgenommen dem des Autorennamen und unter dem Stichwort der Information selbst, die sie enthielt: jenem Buchstabenmuster.
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