Schwarze Diamanten (Bruno Bd 3)
Licht aufging. „Ich Esel,
dass ich nicht längst darauf gekommen bin! Sie haben uns zum Narren gehalten,
alle beide.“
Er versuchte sich aufzurichten, was aber die hochgehängten Beine nicht
zuließen.
„Helfen Sie mir aus diesen verflixten Gurten heraus, und rufen Sie bitte
einen der Arzte. Ich habe zu tun.“
Der Bürgermeister protestierte. Jofflin aber befreite Bruno umstandslos
aus den Schlingen, in denen seine Füße steckten.
„Und wenn Sie mir jetzt bitte meine Hose geben könnten. Die liegt auf
dem Stuhl.“ Bruno setzte sich vorsichtig auf die Bettkante und streckte die
schmerzenden Beine aus.
Jofflin hob grinsend ein Lumpenstück in die Höhe. Die Hosenbeine waren
zerfetzt. Da wird wieder eine neue Uniform fällig, dachte Bruno.
„Geben Sie mir bitte die Schere da auf der Ablage.“ Bruno machte sich
daran, die Beine abzuschneiden, und hatte wenig später eine kurze Hose, die
sich tragen ließ. Jofflin half ihm dabei, sie über die bandagierten Beine zu
ziehen, und reichte das Hemd und die Jacke, die im Kleiderschrank hingen. Sie
stanken nach Rauch und waren fleckig vom Löschschaum, was Bruno aber nicht
weiter störte. Ohne Socken stieg er in seine Stiefel und versuchte aufzustehen.
Benommen stand er auf wackligen Beinen, als Fabiola und der Bürgermeister das
Zimmer betraten.
„Ich sehe wohl nicht richtig“, sagte sie. „Sofort wieder ins Bett mit
Ihnen!“
Pamela und der Baron streckten ihre Köpfe zur Tür herein. In der Ferne
hörte Bruno das Knattern eines Hubschraubers. Er riss sich vom Anblick ihrer
besorgten Mienen los.
„Bei welchem Zahnarzt war Boniface Pons in Behandlung?“, fragte er den
Bürgermeister. Der schüttelte den Kopf.
„Bei meinem“, antwortete der Baron von der Tür. „Piguin in Soirac. Ich
habe Pons dort einmal im Wartezimmer getroffen.“
„Holen Sie ihn her. Er soll sich die Leiche aus der auberge ansehen“,
sagte Bruno zu Jofflin. „Jede Wette, dass es der alte Pons ist.“
„Würden Sie sich jetzt bitte wieder hinlegen?“, sagte Fabiola.
„Nein. Ich fahre jetzt mit dem inspecteur zu Pons'
Haus, wo wir hoffentlich fündig werden.“
„Sie fahren nirgendwohin“, protestierte Fabiola. „Ins Bett mit Ihnen.“
„Als Sie mich an Pons' Trüffelkultur erinnert haben, ist bei mir der
Groschen gefallen“, sagte er zum Bürgermeister und setzte sich wieder auf die
Bettkante. „Ich schätze, dort haben die Wohnmobile über Nacht gestanden, bevor
sie dann nach Arcachon weitergefahren sind, wo Pons junior die Landung der
Migranten beaufsichtigt hat. Und der Wagen des Alten steht auf dem Anwesen
seines Sohnes. Mit ihrem vermeintlichen Zerwürfnis haben sie uns alle an der
Nase herumgeführt. In Wirklichkeit stecken sie unter einer Decke, und zwar in
Sachen Trüffeln, Chinamarkt, Chinesenmafia, was dieses widerliche kleine
Päderastenbordell angeht, und nicht zuletzt in Sachen Bürgermeisteramt.“
„Aber da waren sie doch Rivalen“, widersprach Mangin.
„Nur zum Schein“, entgegnete Bruno in Erinnerung an das Buch über den
britischen Geheimdienst, das auf Hercules Schreibtisch gelegen hatte und in
dem von einem Agenten die Rede war, der sich zum stellvertretenden Bürgermeister
eines kleinen Ortes hatte wählen lassen, um Ausweise und Lebensmittelkarten für
andere Agenten ausstellen zu können. „Der alte Pons hat nur kandidiert, um
Ihnen Stimmen abzujagen und seinem Sohn ins Amt zu verhelfen. So, und wer ist
letztlich verantwortlich für die Vergabe von Personalausweisen, Geburts- und
Heiratsurkunden? Sie, der Bürgermeister. Wer wäre geeigneter, illegalen
Einwanderern eine neue Identität zu verpassen?“
„Aber der Streit über die Schließung des Sägewerks -“ Der Bürgermeister
musste die Stimme heben, um den Lärm des Hubschraubers zu übertönen. Die
Maschine schien direkt über dem Gebäude zu stehen.
„So haben uns die beiden hinters Licht geführt, verstehen Sie?“, sagte
Bruno. „Pons senior hätte nicht den geringsten Nachteil gehabt. Er hatte längst
ein anderes Grundstück an der Hand und wollte auf dem alten Werksgelände eine
Neubausiedlung hochziehen, wie er dem Baron und mir gegenüber erklärt hat.
Mit seinem Sohn im Bürgermeisteramt wären ihm jede Menge Zuschüsse aus der
öffentlichen Hand sicher gewesen. Er hätte ein Vermögen gemacht.“
„Und obendrein besorgte ihm sein Sohn kleine chinesische Mädchen“,
sagte Jofflin. „Ganz abgesehen von den kleinen Jungs, mit denen sie Didier
erpressen konnten.“
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