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Schwarze Engel

Schwarze Engel

Titel: Schwarze Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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eingeläutet worden. Vergessen Sie nicht, das war vor einem Jahr. Der neue Polizeipräsident war gerade an Bord gekommen. Das wäre kein guter Einstand gewesen. Also hat sich jemand von ganz oben eingeschaltet. Irving war immer schon der Mann, der es wieder hinbiegen mußte, wenn es intern Ärger gab. Also war es wahrscheinlich er. Aber möglicherweise hat er für etwas in dieser Größenordnung das Okay des Chiefs eingeholt. Das ist, wie sich Irving hält. Er zieht den Chief mit rein, dann kann ihm nichts passieren, weil er die Geheimnisse kennt. Wie J. Edgar Hoover und das FBI – nur ohne den Kleiderspleen. Denke ich.«
    Bosch nickte.
    »Was, glauben Sie, wurde aus dem blutigen Bleistift?« fragte er.
    »Wer weiß? Wahrscheinlich schreibt Irving seine Personalbeurteilungen damit. Obwohl er das Blut sicher abgewaschen hat.«
    Darauf schwiegen sie eine Weile und beobachteten eine Gruppe von etwa zehn jungen Männern, die auf der Vine in nördlicher Richtung zum Hollywood Boulevard gingen. Es waren hauptsächlich Weiße. Im Licht der Straßenbeleuchtung konnte Bosch die Tätowierungen auf ihren Armen sehen. Radaubrüder, die wahrscheinlich zu den Geschäften am Boulevard hochgingen, um 1992 nachzustellen. Ein kurzer Erinnerungsblitz an das geplünderte Frederick’s of Hollywood schoß ihm durch den Kopf.
    Als die jungen Burschen an Boschs Auto vorbeikamen, gingen sie langsamer. Sie überlegten, ob sie etwas damit anstellen sollten, überlegten es sich aber anders und zogen weiter.
    »Zum Glück haben wir uns nicht in Ihrem Auto getroffen«, bemerkte Garwood.
    Bosch sagte nichts.
    »Heute abend wird es hier gewaltig krachen«, fuhr Garwood fort. »Ich kann es richtig spüren. Zu dumm, daß der Regen aufgehört hat.«
    »Chastain«, sagte Bosch, um zum Thema zurückzukommen. »Jemand hat ihm einen Maulkorb verpaßt. Anzeige unbegründet. Dann reicht Elias seine Klage ein und läßt Chastain zur Verhandlung vorladen. Chastain will aber nicht vor Gericht aussagen. Warum?«
    »Vielleicht, weil er den Eid ernst nimmt und nicht lügen wollte.«
    »Das allein kann es nicht gewesen sein.«
    »Fragen Sie ihn!«
    »Elias hatte im Parker eine Quelle. Ein Leck. Ich glaube, das war Chastain. Und nicht nur bei diesem Fall, sondern schon eine ganze Weile – Elias’ direkter Zugang zu den Akten, zu allem. Ich glaube, das war Chastain.«
    »Komisch. Ein Cop, der keine Cops mag.«
    »Ja.«
    »Aber wenn er so eine wichtige Informationsquelle war, warum sollte ihn Elias dann in den Zeugenstand rufen und so vor aller Welt bloßstellen?«
    Das war die entscheidende Frage, und Bosch hatte keine Antwort darauf. Eine Weile dachte er schweigend nach. Schließlich setzte er die dünnen Ansätze einer Theorie zusammen und sprach sie laut aus.
    »Elias hätte nicht wissen können, daß Chastain einen Maulkorb verpaßt bekommen hatte, wenn Chastain es ihm nicht erzählt hätte, richtig?«
    »Richtig.«
    »Chastain in den Zeugenstand zu rufen und ihn darüber zu befragen hätte also bedeutet, ihn als Quelle zu enttarnen.«
    Garwood nickte. »Das leuchtet mir ein, ja.«
    »Selbst wenn Chastain vor Gericht jede Frage verneint hätte, hätte Elias seine Fragen so stellen können, daß den Geschworenen der wahre Sachverhalt klargeworden wäre.«
    »Und nicht nur den Geschworenen«, ergänzte Garwood. »Auch im Parker Center hätten alle Bescheid gewußt. Chastain hätte ohne Hose dagestanden. Die Frage ist, warum wollte Elias seine Quelle opfern? Jemanden, der ihm jahrelang sehr nützliche Dienste erwiesen hatte. Warum glaubte er, darauf plötzlich verzichten zu können?«
    »Weil Elias mit diesem Fall Geschichte gemacht hätte. Damit hätte er den endgültigen Durchbruch geschafft. Er wäre in Court TV, Sixty Minutes, Larry King und was es sonst noch alles gibt gekommen. Er wäre ein gemachter Mann gewesen. Dafür hätte er auch seine Quelle verheizt. Jeder Anwalt hätte das getan.«
    »Auch das leuchtet mir ein. Ja.«
    Was nun kam, blieb unausgesprochen. Es war die Frage, was Chastain getan haben könnte, um nicht in aller Öffentlichkeit im Zeugenstand vernichtet zu werden. Für Bosch lag die Antwort auf der Hand. Wurde er nicht nur als Elias’ Quelle bloßgestellt, sondern auch als der Ermittler, der die polizeiinternen Ermittlungen anläßlich Michael Harris’ Anzeige verfälscht hatte, stand er sowohl innerhalb wie außerhalb der Polizei als Buhmann da. Er saß zwischen allen Stühlen, und das wäre für Chastain, für jeden untragbar

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