Schwarze Engel
auf dem er sich offensichtlich bereits befunden hatte.
»Sehen Sie jetzt, wie es gewesen sein könnte?« fragte er.
Bosch versuchte das Tempo seiner Gedanken zu bremsen, damit sich alles von allein entfalten konnte. Schließlich nickte er.
»Ja, jetzt sehe ich es.«
»Gut. Ich werde jetzt einen Anruf machen. Ich werde dem Mann, der im Keller Dienst hat, sagen, daß er Sie einen Blick in das Ausgaberegister werfen läßt. Ohne lange Fragen. So kann Ihnen nichts passieren.«
Bosch nickte. Er öffnete die Tür. Er stieg ohne ein weiteres Wort aus und ging zu seinem Wagen zurück. Bevor er ihn erreichte, lief er. Er wußte nicht, warum. Es bestand kein Grund zur Eile. Es regnete nicht mehr. Er wußte nur, er mußte in Bewegung bleiben, um nicht loszubrüllen.
37
V or dem Parker Center wurden eine Kerzenwache und ein Trauerzug abgehalten. Die Demonstranten, die auf dem Platz vor dem Polizeipräsidium auf und ab marschierten, trugen zwei Pappsärge – einen mit der Aufschrift GERECHTIGKEIT, einen mit der Aufschrift HOFFNUNG. Andere hatten Transparente, auf denen GERECHTIGKEIT FÜR MENSCHEN ALLER HAUTFARBEN und GERECHTIGKEIT FÜR EINIGE IST GERECHTIGKEIT FÜR NIEMAND stand. Über ihnen kreisten Nachrichtenhubschrauber, und auf dem Boden konnte Bosch mindestens ein halbes Dutzend Fernsehteams sehen. Es ging auf elf Uhr zu, und alle machten sich bereit, Live-Berichte von der Protestfront zu senden.
Vor dem Eingang stand eine Phalanx uniformierter Polizisten mit Schutzhelmen bereit, um das Polizeipräsidium zu verteidigen, falls die friedliche Demonstration in Gewalt umschlug. 1992 war eine solche friedliche Demonstration in Gewalt umgeschlagen, und der Mob hatte auf dem Weg in die Downtown von Los Angeles alles zerstört, was ihm in den Weg gekommen war. Bosch drückte sich zunächst an den Demonstranten vorbei und dann, mit hoch über den Kopf gehaltener Dienstmarke, durch eine Lücke in der menschlichen Verteidigungslinie vor dem Eingang.
Der Wachschalter war mit vier Polizisten, ebenfalls mit Helmen, besetzt. Bosch ließ ihn und die Lifte links liegen, stieg die Treppe zum Untergeschoß hinunter und nahm den Gang zur Asservatenkammer. Als er dort eintrat, wurde ihm bewußt, daß er, seit er den Empfang passiert hatte, keiner Menschenseele begegnet war. Das Gebäude schien verlassen. Laut Noteinsatzplan waren alle verfügbaren Kräfte auf den Straßen im Einsatz.
Bosch sah durch das Maschendrahtfenster, aber er kannte den Mann, der Dienst hatte, nicht. Es war ein alter Veteran mit einem weißen Schnurrbart in einem von Ginflecken geröteten Gesicht. Sie schoben eine Menge der alten Ausgemusterten in den Keller ab. Dieser rutschte von seinem Hocker und kam ans Fenster.
»Und wie ist das Wetter draußen? Ich habe hier drinnen keine Fenster.«
»Das Wetter? Teilweise bedeckt mit Aussicht auf Krawalle.«
»Habe ich mir fast gedacht. Hat Tuggins immer noch seine Leute vor dem Eingang?«
»Sie sind noch da.«
»Dieses blöde Gesocks. Würde mich mal interessieren, wie die es fänden, wenn es keine Polizei gäbe. Wie ihnen dann das Leben im Dschungel gefiele.«
»Darum geht es ihnen nicht. Sie wollen eine Polizei. Sie wollen bloß keine Cops, die Killer sind. Können Sie ihnen das verdenken?«
»Manche Leute kann man bloß killen.«
Darauf wußte Bosch nichts mehr zu erwidern. Er wußte nicht mal, warum er diesem alten Knacker überhaupt Kontra gab. Er sah auf sein Namensschild. Es stand HOWDY darauf. Fast hätte Bosch gelacht. Irgend etwas an diesem unerwarteten Namen durchdrang die Anspannung und Wut, die ihm schon den ganzen Abend schwer zusetzte.
»Was soll der Scheiß? So heiße ich.«
»Entschuldigung. Ich lache nicht über – es ist wegen was anderem.«
»Klar.«
Howdy deutete über Boschs Schulter auf eine kleine Theke mit verschiedenen Formularen und an Schnüren befestigten Bleistiften.
»Wenn Sie etwas haben wollen, müssen Sie die Fallnummer in das Formular eintragen.«
»Ich weiß die Fallnummer nicht.«
»Dürften ein paar Millionen sein, die wir hier drinnen haben. Warum raten Sie nicht einfach?«
»Ich möchte das Log sehen.«
Der Mann nickte.
»Ach so. Sind Sie der, wegen dem Garwood angerufen hat?«
»Ja.«
»Warum sagen Sie das nicht gleich?«
Bosch antwortete nicht. Howdy griff an eine Stelle unter dem Fenster, die Bosch nicht sehen konnte, holte ein Klemmbrett hervor und schob es durch den Durchreicheschlitz unter dem Maschendraht.
»Wie weit wollen Sie zurückgehen?« fragte
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