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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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im Westen den Blick in einen glühenden Ofen bot. Im Inneren des Stalls war es pechschwarz. Nur an manchen Pfosten und Türen loderte orangerot der Abglanz des einfallenden Lichts.
    Im Dunkeln konnte ich nicht erkennen, ob hier weiterhin die natürliche Regel des einzelnen Schattens galt oder ob jedes Objekt inzwischen nach allen Seiten Schatten warf.
    Nachdem es im Stall bisher merkwürdig geruchlos gewesen war, nahm ich nun Ozon wahr. Es war derselbe Geruch, der oft nach Blitzen entsteht und der manchmal noch Stunden in der Luft liegt, nachdem der Donner längst verklungen ist und das Gewitter sich verzogen hat. Heute hatte es allerdings nicht geregnet, und es war auch kein Regen angesagt.
    Ich wusste nicht, worauf ich wartete, aber dass das nicht der Briefträger sein würde, war klar. Im Rückblick hatte ich den Eindruck, dass Kennys abrupter Aufbruch – »Spät, spät, spät!« – nicht die Sorge ausdrückte, nicht rechtzeitig zu einem Termin zu kommen, sondern blanke Angst, nach Einbruch der Nacht hier erwischt zu werden. Der muskelbepackte, beinharte, bis an die Zähne bewaffnete Kerl hatte sich gefürchtet wie ein kleiner Junge.
    Dass so rasch nach Tagesanbruch außerplanmäßig nächtliche Schwärze hereingeflutet war, deutete auf kosmische Ereignisse hin, bei denen mir selbst angst und bange wurde. Mein Herz jagte wie das eines friedlichen Hasen, der in der Nacht die Augen eines pirschenden Wolfs aufleuchten sieht.
    Angst kann rascher besoffen machen als Whisky. Offenbar bekam ich davon gerade einen Doppelten serviert, weshalb ich mich zusammenreißen, nüchtern und standhaft bleiben musste.
    Im Osten waren die Bleiglasfenster nun endgültig voller Nacht – bis auf die liegende Acht, die in ihrer Mitte eingebettet war. Die Kupferziffern glühten, ohne das dunkle Glas ringsum zu erhellen, und dieses Glühen war offenbar nicht einfach nur eine Spiegelung des roten und zunehmend düsteren Lichts, das in den Fenstern auf der anderen Seite loderte.
    Nach Kennys hastigem Abgang hatte sich zuerst Stille über den Stall gesenkt, aber nun hörte ich plötzlich, wie draußen etwas leise an die Westwand stieß. Mehr als ein Objekt. Gleich mehrere. An verschiedenen Punkten entlang der Seite des Gebäudes.
    Hinter einem der geröteten Fenster tauchte eine Gestalt auf, ohne dass irgendwelche Einzelheiten zu erkennen gewesen wären. Es war nur eine Silhouette vor der lodernden Sonne. Ich glaubte, einen Kopf, einen rudernden Arm, eine greifende Hand zu sehen.
    Zuerst dachte ich, es würde sich um einen Mann handeln. Kopf, Arm und Hand waren zwar missgestaltet, doch das konnte daran liegen, dass der extreme Winkel der Sonne und Unebenheiten im dicken Glas alles verzerrten.
    Während der scharlachrote Sonnenuntergang in ein sattes Lila überging, tauchten auch an anderen Fenstern Schatten auf, noch undeutlicher und entstellter, etwa ein halbes Dutzend. Mit jeder Sekunde hatte ich weniger den Eindruck, dass das, was sich da klopfend und kratzend an der Wand entlang bewegte, menschlich war.
    Zum einen schienen sie sich nicht darum zu scheren, dass sie Lärm machten, doch ich hörte keine Stimmen. Selbst wenn Menschen versuchen, sich leise zu verhalten, gelingt es ihnen nur selten, nichts zu kommentieren oder nicht vor sich hin zu schimpfen. Wir sind nun einmal eine ausgesprochen schwatzhafte Spezies.
    Zum anderen untersuchten die Wesen an der Wand nicht deren Beschaffenheit oder kündigten ihre Anwesenheit an. Sie tasteten sich daran entlang. Zweifellos suchten sie einen Eingang, aber nicht so, wie gewöhnliche Menschen das getan hätten. Schließlich war es noch hell genug, um sich zu orientieren. Die zögernde, pochende Fortbewegung deutete darauf hin, dass diese Menschen – falls es sich überhaupt um welche handelte – entweder blind, lahm oder beides waren.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine ganze Schar entsprechend Behinderter durch den Garten von Roseland gekommen war, um den Stall zu erkunden oder um mich aufzusuchen. Wieso auch?
    Egal, was da seinen verzerrter Schatten an die Fenster warf und mit seinen Gliedern an die Wand stieß, ich wollte lieber nichts damit zu tun haben. Und falls die da draußen etwas von mir wollten, war ich nicht bereit, es ihnen zu geben.
    Das erste Ding kam um die Ecke und fand das nördliche Tor, durch das Kenny vor Kurzem geflohen war. Es klopfte an die Bronzeplatte, aber nicht so, als wollte es höflich um Einlass bitten, sondern um herauszufinden, was ihm da den Zugang

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