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Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric van Lustbader
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und er vor Jahren gefirmt worden waren. Er sprach mit niemandem, noch nicht einmal mit Pater Michael, als der an ihm vorbeiging. Croaker wußte, daß er ihn erkannt hatte.
    Am Nachmittag sagte er die Verabredung mit seiner Freundin ab, weil er mit Angela so wenig hätte sprechen können wie mit Pater Michael. Er war mit dem Wissen aufgewacht, wer ihn in den Träumen verfolgt hatte, die seiner eigenen Einbildungskraft entsprungen waren: Gott.
    Croaker bewegte sich. Es war eine Art Kunst, an unbequemen und ungemütlichen Orten schlafen zu können. Wenn man nicht wußte, was man tat, wachte man am Morgen mit einem so steifen Hals auf, daß man ihn nicht drehen konnte, ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Er legte sich auf die Bank und blickte aus dem Seitenfenster, beobachtete die Bewegung der Blätter unter den Straßenlaternen. Durch die Art, wie sie das Licht brachen, schienen sie die einfachen Glasfenster in die Glasmalereien von Santa Maria Gloriosa zu verwandeln.
    Nach einer Weile schloß er die Augen. Er träumte, daß er sich an einem ruhigen und friedvollen Ort befand. Das blaugrüne Licht glühte wie verhangenes Sonnenlicht auf den Kanten eines Diamanten. Er trieb auf einem diffusen und sich bewegenden Bett dahin. Dann fuhr er mit pochendem Herzen auf und erkannte, daß er mit dem Gesicht nach unten im Wasser lag. Er hatte die Arme weit ausgestreckt, und seine Lungen brannten. Er sehnte sich danach, Atem zu holen, aber er wußte, daß er dann ertrinken würde. Doch schließlich konnte er es nicht mehr aushalten und öffnete den Mund, um Atem zu schöpfen Stone Tree hatte ihm einst etwas über einen Riesen erzählt, der unsichtbar unter dem Horizont lag. Wenn dieser Riese nach einem langen nächtlichen Schlaf seine Augen voller Perlen öffnete, schickte er noch vor dem Sonnenaufgang reflektierendes Licht in den Himmel.
    Croaker wachte auf und stellte fest, daß der Himmel nicht mehr dunkel war.

11
    Das Flamingo-Park-Stadion war um sechs Uhr morgens nicht ganz so verwaist, wie man es vielleicht erwartet hätte. Es lag am westlichen Rand von South Beach und war von niedrigen und mittelhohen Gebäuden umgeben, die aus den vierziger oder fünfziger Jahren stammten. Die Anwohner wurden durch eine protzige, luxuriöse Stadtsanierung belästigt. Die Renovierung - Neuanstrich der Fassaden und Überholung der Wohnungen - ging so weit, daß die ursprüngliche Qualität sogar übertroffen wurde. Arbeiter betraten und verließen die Häuser, deren Türen offen standen, und an den Wänden hingen Schilder, auf denen EIGENTUMSWOHNUNGEN ZU VERKAUFEN zu lesen war.
    Die Geschäftsleute waren zu dieser frühen Stunde noch nicht da, aber gegenüber, in der Meridian Avenue, warfen die Kids Hartgummibälle über die karoförmigen Baseballfelder. Andere fuhren auf dem Bürgersteig vor dem Stadion Skateboard. Ausgelassen bellende Hunde jagten sich gegenseitig über die Spielfelder. Der Duft frisch gekochten Kaffees vermischte sich mit dem von Jacaranda und Jasmin.
    Croaker hatte seine Hemdsärmel aufgekrempelt und gab einem neunjährigen Jungen aus dem Stegreif eine Bunting-Trainingsstunde. Bunting war, wie Phil Rizutto es so gern ausgedrückt hatte, eine »in Vergessenheit geratene Kunst«. Für jemanden, der nur ein paar Stunden geschlafen hatte, spielte Croaker seinen Part mit merkwürdig klarem Kopf.
    Der Grund dafür war, daß er vor ein paar Augenblicken Rafe Roubinnet angerufen hatte. Rafe schlief nie; er liebte es, an Bord seines fünfundsechzig Fuß langen Katamarans den Sonnenaufgang zu beobachten. Nach dem Zwischenfall auf der Brickell Bridge brauchte Croaker einen sicheren Zufluchtsort. Die Wohnung seiner Schwester stand nicht zur Debatte, und bezüglich Sonias Haus wußten die Bonitas Bescheid. Rafe war die logische Alternative: Er war ein Freund, und er stand in Croakers Schuld. Die Beziehungen des Expolitikers und sein scharfer Verstand waren jetzt unschätzbare Aktivposten. Rafe hatte zugestimmt, ihn um ein Uhr mittags im Miami-Jacht-Club zu treffen.
    »So wird's gemacht«, sagte Croaker zu dem sommersprossigen neunjährigen Ricky. »Du willst den Ball hart genug treffen, damit er hinter dem Catcher landet, aber nicht so hart, daß der erste oder dritte Baseman ihn rechtzeitig kriegt, um dich auszuspielen.«
    »Was das Schlagen betrifft, bin ich ein Champion«, sagte Ricky. »Ich kann den Ball überall hinspielen. Sie glauben, ich mach’ Witze? Passen sie auf.« Er schwang den Baseballschläger vorbereitend hin und her.

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