Schwarze Heimkehr
manövrieren.
Während er Rafes Privatraum durchquerte, vernahm er die Stimmen deutlicher. Rafe und Antonio unterhielten sich im großen Salon. Jetzt konnte er sie durch den Türspalt auch sehen. Sie befanden sich an der Vorderseite des Salons. Sie wurden von den goldenen Lichtflecken einer Lampe und den Kombüsenlichtern gezeichnet und wirkten wie Schauspieler auf einer Kinoleinwand. Die Zweidimensionalität ließ sie zugleich als überlebensgroß und irreal erscheinen. Rafe saß auf der der Kombüse zugewandten Seite der Theke, Antonio auf der Salonseite. Das halbe Schott versinnbildlichte ihr Gespräch. Es ging natürlich um
Humaitás
Gebeine. Nach dem, was Croaker verstehen konnte, befanden sie sich in Rafes Besitz. Nun gut, aber was zum Teufel hatte er damit vor? Würde er sie Antonio einfach überlassen?
Während Croaker sich in die tiefe Dunkelheit am hinteren Ende des Salons schlich, sagte Antonio, daß Rafe keine andere Wahl habe. Croaker öffnete einen hohen Einbauschrank im Backbordschott, in dem sich Taucherzubehör befand. Er zog einen der Neopren-Shorties mit kurzen Ärmeln und Beinen hervor, die bis zur Mitte des Oberschenkels reichten. In Rafes Privatraum zog er ihn an. Wenn er schon keine richtige Aderpresse hatte, würde das enganliegende Neopren immerhin helfen, den Blutstrom aus seiner Schulterwunde zu stillen.
Als er wieder am Schrank war, stieß er die anderen Taucheranzüge zur Seite und zog einen gezackten Dolch hervor, der in einer Scheide an einem der Gürtel hing. Er legte ihn an und drückte die Schnalle mit seinem Armstumpf fest gegen den Bauch. Dann nahm er eine Harpune vom Haken, legte einen Pfeil in den Schaft und spannte sie.
Die lebhafte Unterhaltung zwischen Antonio und Rafe hatte inzwischen an Schärfe zugenommen. Drohungen flogen wie ein Pfeilhagel hin und her. Sosehr Croaker auch Rafes kraftvolle Persönlichkeit bewunderte, Antonio war eine Nummer zu groß für ihn. Aber Croaker war entschlossen, daß niemand mehr verletzt werden sollte.
»Geben sie sie mir.« Antonio winkte Rafe mit den Fingern zu, während Croaker noch einmal die Harpune überprüfte.
»
Escuchame, Seňor
«, antwortete Rafe. »Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß über die Knochen nicht verhandelt wird, Punkt.«
»Zum Teufel mit den Verhandlungen«, sagte Antonio. »Hier geht's um mehr als um Verhandlungen.«
»Sie sind jetzt nicht mehr im Besitz Ihrer automatischen Waffe, Seňor« Rafe breitete die Arme aus. »Sie sehen nun, weshalb ich sie nicht mit der Waffe an Bord lassen konnte.«
»Macht‚ Macht.« Antonio kontrollierte sich offensichtlich nur mit einer extremen Willensanstrengung. Vielleicht wartete er auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen. »Wer hat die Macht?«
»Offensichtlich ich«, sagte Rafe, während die Gläser und Flaschen auf den Regalen durch ein Schwanken des Schiffes erzitterten. »Die Gebeine sind gleichbedeutend mit Macht. Seien sie nicht schwer von Begriff. Es geht um eine Macht, die ich Ihnen nie überlassen würde. Es ist doch wohl unnötig, daß ich das weiter ausführe,
verdad
?« Er schien kein bißchen eingeschüchtert zu sein. Aber er kannte Antonio Bonita schließlich auch nicht. »Das sollte eine ausreichende Warnung sein.«
Rafe hatte seinen Vorteil überreizt. Croaker wußte, daß Männer wie Antonio und Heitor verbale Warnungen nicht schätzten.
In seinem Eifer, Rafe an den Kragen zu gehen, kletterte Antonio fast ganz über die Theke. Croaker kannte diesen fiebrigen Ausdruck aus den Augen von Jagdhunden, die einen Fuchs in die Enge getrieben hatten. Ein leises Klicken kündigte Antonios Attacke mit dem Stilett an.
Der Pfeil aus der Harpune traf Antonio mitten im Sprung mit solcher Wucht, daß er durch seinen Körper schoß und im Schott hinter ihm steckenblieb. Antonio wurde rückwärts an das untere Ende des Türrahmens geschleudert.
»Was zum Teufel ….« Rafe beobachtete mit erstauntem Gesichtsausdruck, wie Croaker sich aus dem Dunkel löste.
Compadre, que pasa
? Wo kommst du denn her?«
Irgend etwas geschah. Der Katamaran hatte abrupt den Kurs geändert. »Halt dich von diesem Bastard fern«‚ warnte Croaker und zeigte auf Antonio. Während er quer durch den Salon eilte, wurde er gegen die Möbel geschleudert. Lag das daran, daß sich das Boot zwischen den Wellenkämmen hob und senkte, oder daran, daß er kurz davor stand, das Bewußtsein zu verlieren? »Er ist immer noch so gefährlich wie der Schweif eines Skorpions.«
»Guter Gott,
compadre
. Du
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