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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Höhle des Löwen zu begeben. Dieses Kind hatte mir wieder die Augen für die Wahrheit geöffnet. Und für die Panik.
    Ich wollte kein Vater sein.
    Es war fast sechs, also machte ich mich auf den Weg zur Kriminalpolizei. Als ich vor dem zementgrauen Gebäude ankam, war es eine Viertelstunde zu früh für meine Verabredung mit Wintilo. Ich stieg aus dem Auto und schlenderte durch die Straßen. Mir kam eine törichte Frage in den Sinn: Was, wenn Roberto sich immer noch in dem Hotel versteckt hielt? Ich blieb stehen und wählte Wintilos Nummer.
    »Wintilo, ich habe da so eine Ahnung …«
    Ich verriet sie ihm und erwartete, dass er sagte, ich solle mich zur Hölle scheren. Umso überraschter war ich über seine Frage: »Willst du mal ein bisschen Macht spüren, du alter Scheißkerl?«
    Es war wie im Film, wenn die Handlung von Stunden in wenigen Sekunden abgehandelt wird: Erst hörte ich Polizeisirenen aus der Ferne, dann näherten sich drei Streifenwagen. Einer davon hielt direkt neben mir, und die Tür ging auf. Aufgeregte Passanten blieben stehen und sahen neugierig zu, wie ich in die Streife stieg. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Wintilos Auto uns folgte.
    Trotz des Verkehrs, der dicht und heiß dahinrollte, erreichten wir das Hotel Emporio in vier Minuten. Es war ein erregendes Gefühl, ausweichende Autos, rote Ampeln und aufgescheuchte Fußgänger an sich vorbeigleiten zu sehen. Wintilo, sechs weitere Polizisten und ich stiegen aus und marschierten geradewegs zu Benjamín Sánchez, dem Wintilo noch im Gehen entgegenzischte: »Keine Bewegung, Arschloch! Wir stellen das ganze verdammte Hotel auf den Kopf! Wenn du den kleinen Stricher versteckst, bist du geliefert!«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
    »Nimm ihn und lies ihn dir sorgfältig durch!« Wintilo packte ihn beim Hemd und versetzte ihm einen Kopfstoß auf die Nase, was ich für unnötig hielt, aber es war nun einmal passiert. Das Blut floss in Strömen.
    Augenblicke später begannen die Hotelgäste aus ihren Zimmern zu strömen wie Kakerlaken bei einer Ausräucherung. Benjamín versteckte sein Gesicht hinter blutigen Papiertüchern und versuchte den Gästen mitzuteilen, dass die Polizei nur eine Routineinspektion durchführte, sie sollten doch im Hotel bleiben. Es war traurig, zu hören, wie er freundlich zu sein versuchte, während ihm das Blut aus der Nase strömte.
    Das Telefon an der Rezeption klingelte. Als Benjamín abnehmen wollte, riss Wintilo es ihm aus der Hand und hob es hoch, wie um es ihm auf den Kopf zu schlagen.
    »Rück den Stricher raus, du gerissener Hund, oder ich knöpfe ihn mir selbst vor!«
    Ich rührte mich genauso wenig wie Benjamín. Ich weiß nicht, ob er mitbekam, dass meine Augen ihm eine Entschuldigung für Wintilos Verhalten zusandten. Ich glaube nicht, denn seine Pupillen verschwanden schon hinter der Schwellung.
    Wintilo telefonierte einige Sekunden und sagte dann zu mir: »Sie haben etwas gefunden.«
    Wir fuhren mit dem Aufzug hoch und betraten Zimmer 309. Die Polizisten hatten alles auf den Kopf gestellt, sogar das Bett. Sie hatten Frauenkleidung gefunden, eine Perücke und einige Lippenstifte. Ich riss ein Stück Toilettenpapier ab, hob damit einen der Lippenstifte auf und malte auf ein zweites Stück Papier. Es war schwarzer Lippenstift.
    Ein lautes Bremsgeräusch und ein anschließender Knall trieben die Polizisten, Wintilo und mich zum Fenster. Mitten auf der Straße sahen wir Benjamín auf dem Bauch liegen. Anscheinend hatte er einen Fluchtversuch unternommen und war dabei angefahren worden. Ein Streifenwagen setzte sich in Bewegung und fuhr hinter einem Auto her.
    Eilig liefen Wintilo und ich die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Als er uns sah, versuchte Benjamín davonzukriechen, aber er kam nicht weit. Wintilo stellte ihm einen Fuß auf den Rücken.
    »Suchst du ein Loch im Boden, du ekelhafter dicker Wurm?«

 
     
     
     
     
     
    E s gibt nichts, was schlimmer stinkt als Zigarettenkippen in Kombination mit den Ausdünstungen eines billigen Kunstlederstuhls. Genauso roch es in jenem mehrere Meter unter der Erde liegenden Loch von einem Zimmer im Gebäude der Kriminalpolizei, das Wintilo die Lauschhöhle nannte. Dorthin gingen wir nach unserem Zwischenstopp im Hospital Xoco. Wir waren dem Krankenwagen mit Blaulicht und quietschenden Reifen gefolgt. Im Krankenhaus angekommen, ließen uns die Sanitäter nicht an Benjamín Sánchez heran. Wintilo drohte, mit einem Einsatzkommando

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