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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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wiederzukommen und das Krankenhaus mit Tränengas und Großkaliberwaffen zu stürmen. Als die Ärzte ihn auslachten, wollte sich Wintilo auf sie stürzen. Ich musste ihn wegziehen – was langsam zur Gewohnheit wurde –, während die Beschimpfungen nur so auf uns einprasselten. Mörder mit Polizeimarke war noch die Harmloseste.
    Einige Kriminalreporter bedrängten uns, weil sie »Informationen« witterten, aus denen sich eine Geschichte über die Brutalität der Polizei basteln ließe. Wintilo warnte sie, dass er ihnen die Eier abreißen würde, wenn wir in den Nachrichten auftauchten. Die Typen ließen sich nicht einschüchtern, an solche Drohungen waren sie gewöhnt.
    »Fünfhundert Pesos für Essen und Getränke, wenn ihr euch verpisst«, bot Wintilo an.
    »Okay, bei tausend kommen wir ins Geschäft«, feilschten sie.
    Wintilo fand ihre Dreistigkeit amüsant. Er bezahlte, und sagte hinterher zu mir: »Sollen sie mich ruhig für einen Trottel halten, solange ich meinen Spaß habe …«
    In der Lauschhöhle gab es eine Aufnahmekonsole, Computer, Wände aus Kork und einen dicken Teppich, der nach Spucke und Staub roch. Wintilo machte sich an den Reglern zu schaffen und erweckte dabei den Eindruck, als hätte er nicht den leisesten Schimmer von Technik.
    Ich nutzte die Gelegenheit, ihn für den tätlichen Angriff auf den Hotelmanager zu tadeln.
    »Warum verteidigst du ihn?«, fragte er. »Er hat uns doch ganz offensichtlich verschwiegen, dass Roberto sich in Zimmer 309 versteckte. Dort konnte er in aller Ruhe Perücke, Dessous und Lippenstift loswerden. Wer weiß, vielleicht ist er sogar in Männerkleidung an den Polizisten vorbeimarschiert. Der Hotelmanager hat Dreck am Stecken, das gebe ich dir gerne schriftlich.«
    »Aber wenn er stirbt oder uns verklagt, können wir ihm keine weiteren Fragen stellen.«
    Wintilo wechselte das Thema.
    »Bist du bereit für die Stimme deiner kleinen Freundin?« Er drückte einen Knopf an der Aufnahmekonsole, und Judiths Stimme erfüllte klar und deutlich den ganzen Raum. Sie unterhielt sich mit jemandem am Telefon.
    »Und jetzt Darth Vader.« Wintilo drückte einen anderen Knopf, woraufhin Judiths Stimme metallisch und tief wurde.
    »Eine Ausländerin, die schlecht Spanisch spricht …«
    Wieder betätigte Wintilo die Regler und verwandelte Judiths Stimme in das, was er angekündigt hatte, eine Ausländerin, die schlecht Spanisch sprach. Er spielte weiter herum, zerhackte die Stimme in Einzelteile, ließ sie singen, weinen, lachen und sogar vor Lust stöhnen.
    »Wenn du dich genug amüsiert hast«, unterbrach ich ihn, »lass mich hören, was sie wirklich sagt.«
    »Ich hole dir Charlie her, damit er dir beibringt, wie man den ganzen Schrott bedient.«
    »Wer ist Charlie?«
    »Ich werde ehrlich zu dir sein, Gil.«
    »Warst du das vorher nicht?«
    »Doch, aber jetzt noch mehr. Die Wahrheit ist, dass ich Charlies Schwester flachlege. Die Kleine heißt Susana, sie hat mich gebeten, ihrem Bruder unter die Arme zu greifen, damit er seinen Job nicht verliert. Er arbeitet hier als Informatiker, aber sie werden ihn bald entlassen.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Sagen wir mal, er ist nicht ganz von dieser Welt …«
    »Und warum muss ich das alles wissen?«
    »Einfach nur, damit du ihn gut behandelst.«
    Mir war nicht ganz klar, ob Wintilo es ernst meinte. Es schien so. Inzwischen war es neun Uhr abends, also fragte ich, ob ich bei der Arbeit trinken dürfte. Er antwortete, es sei zwar verboten, aber er könne mir Bier aus konfiszierter Schmuggelware besorgen.
    Bevor er ging, sagte er noch: »Vorsicht, täusch dich nicht. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, herauszufinden, wer Efrén getötet hat, und auch nicht darin, auf die Gesundheit von Benjamín Sánchez zu achten. Der Hotelmanager ist nichts weiter als ein Mittel zum Zweck. Ein paar Stromschläge in die Eier werden ihm die Zunge lösen, und dann wirst du schon sehen, dass er uns ans Ziel bringt.«
    Ich teilte ihm mit, dass ich seine Vorgehensweise für zweifelhaft hielt.
    »Vorgehensweise sagst du? Die Vorgehensweise bestimmt der Krake.«
    »Welcher Krake?«
    »Hör zu, Bruder. Mag ja sein, dass du anständiger mit dem Abschaum umgehst als ich, und dafür kommst du auch bestimmt in den Himmel, mit Polizeimarke und allem drum und dran. Aber du warst die letzten Jahre nicht hier. Ich schon. Ich habe Imperien wie Glashäuser in sich zusammenstürzen sehen. Imperien, die dieses oder jenes Drogenkartell errichtet hatte. Große und kleine

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