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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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sandte.
    »Ich werde dir die Wahrheit sagen, Gil. Ich sage dir die Wahrheit, obwohl sie mich verletzlich macht.«
    »Wenn das so ist, sag lieber nichts.«
    »Ich muss es aber loswerden.«
    »Ich höre dir zu.«
    »Zuerst eine Frage: Warum bist du zu Irene Sandoval gegangen?«
    »Deine Freundin kann einfach nicht den Mund halten.«
    »Warst du wegen mir dort? Wolltest du mich sehen?«
    Ich nickte.
    »Ist es nur das hier, was du von mir willst?«
    »Meinst du Sex?«
    Sie nickte.
    »Ich bin mir nicht sicher. Jedes Mal denke ich, dass es reicht, doch so ist es nicht. Sex reicht nie, er ist wie ein löchriger Sack, vor allem mit dir. Was ist die Wahrheit, die du mir sagen wolltest?«
    »Dass ich nicht mehr richtig lebe. Dass ich nur noch ein Gespenst bin.«
    »Genau das dachte ich auch, als ich dich im Dunkeln schluchzen hörte.«
    »Es macht mir keinen Spaß, dich zu lieben, dich zu begehren. Du bist Gift für mich. Dabei hatte ich mich schon von dir befreit. Ich hätte nicht zu dir kommen dürfen, aber Andrés sagte, dass ich dich konfrontieren muss.«
    »Andrés?«
    »Hast du Hunger, Gil?«
    »Andrés?«
    »Mein Therapeut. Andrés Sifuentes. Hast du Hunger? Ich will für dich kochen. So tun, als ob du müde von der Arbeit kämst und ich dich umsorge.«
    »Wir müssen gar nicht so tun, ich bin müde, ein wandelnder Toter. Das Leben ist der letzte Dreck, Teresita.«
    »Warte, erzähl nicht weiter, ich will nichts verpassen, während ich das Abendessen zubereite.«
    »Du musst nur in die Mikrowelle schieben, was Lupe hingestellt hat.«
    »Isst du gerne, was sie kocht?«
    »Mir bleibt nichts anderes übrig.«
    Teresa sprang aus dem Bett, wobei eine ihrer festen Brüste in Bewegung geriet. Ich reckte die Glieder wie ein streunender Kater. Das Spiel gefiel mir. Ich, der Ehemann, der von der Arbeit kommt, sie, die Gattin, die Lust hat, ihrem Angetrauten etwas Köstliches zu kochen. Vielleicht einen typisch kolumbianischen Eintopf. Kann jemand, der noch nie Ideale hatte im Leben, mehr verlangen? Im Anschluss an den Eintopf würde ich sie verspeisen, würde sie ohne jede Eile genießen, pur und al dente. Wenn wir hinterher die nackten Füße an die Wand legten, würde ich ihr von der Arbeit berichten. Was konnte ich ihr erzählen? Von den schwarzen Küssen auf der Leiche eines gewissen Efrén? Davon, wie unerträglich einem die Stadt vorkommt, wenn man aus der Lauschhöhle tritt? Vom Geheul der Krankenwagen- und Polizeisirenen, das man anders wahrnimmt, wenn man dem Inneren des Kraken entronnen ist?
    Ich hörte, wie sie etwas anbriet, mit Töpfen hantierte. Schließlich kam Teresa mit einem Tablett ins Zimmer. Ihr Anblick, nackt und mit diesem Tablett in Händen, gefiel mir, aber das Gericht war eine Enttäuschung. Grüner Salat. Ich nahm die Gabel und spießte ein Stück auf. Wider Erwarten schmeckte er himmlisch, es waren gebratene Speckwürfel drin. Was nicht dazu passte, war das Getränk, kalte Milch. Aber ich bat sie nicht, mir etwas anderes zu holen, weil ich nicht das Vergnügen versäumen wollte, das weiche Fell zwischen ihren Beinen zu betrachten, während die Kopfsalatblätter zwischen meinen Zähnen knirschten. Ich sage Fell, denn in diesem Moment waren wir mythologische Tiere, ein Gefühl, das durch kleine Pulsschläge unter meinem Bauchnabel noch verstärkt wurde.
    »Wie war es bei der Arbeit, mein Schatz?«, begann sie das Spiel.
    »Ich habe drei Autos verkauft. Der Geschäftsführer ist sehr zufrieden. Er scheint ein netter Kerl zu sein.«
    »Wie heißt er?«
    »Aniceto Pensado.«
    »Ist er verheiratet?«
    »Er sieht jedenfalls so aus.«
    »Wunderbar, mein Schatz. Lad ihn und seine Frau doch am Freitag zum Essen ein! Ich koche Pasta, und wir machen eine Flasche Cabernet Sauvignon auf.«
    »Ist das Rotwein?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, mein Chef würde Cuba Libre und ein Fußballspiel im Fernsehen vorziehen.«
    »Sonst trinken eben wir Frauen Wein, und ihr redet über Fußball. Sei unbesorgt, Gil, ich werde so nett zu den beiden sein, dass er dir bestimmt eine Gehaltserhöhung gibt. Du wirst schon sehen.«
    »Hoffentlich, dann können wir uns die Anzahlung für das Haus leisten.«
    »Bist du sicher, dass du dieses Häuschen mit Garten willst?«
    Die Antwort fiel mir schwer. Solche Fragen hatte ich mir noch nie gestellt, noch nicht einmal in der Fantasie. Nicht umsonst habe ich den größten Teil meines Lebens in ein und demselben Rattenloch verbracht, dieser bescheidenen alten Wohnung, die nur einer von vielen

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