Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
Vom Netzwerk:
Hunde können sie hören.
    Als ich das erste Mal ins Siracusa ging, entdeckte ich, dass ich auf ein künstliches Paradies gestoßen war: Flaschen an einer Spiegelwand hinter der Theke, blaues Dämmerlicht, ein Barkeeper, der nicht den Psychologen spielt, und Kellnerinnen, die es nicht darauf anlegen, die Männlichkeit der Gäste in Aufruhr zu versetzen. Jeder konnte sich an einen der runden Tische aus dunklem Holz zurückziehen und dort in aller Anonymität trinken, ohne von den üblichen Verdächtigen genervt zu werden, die sich auf anonyme Menschen stürzen, um ihnen ihr Leid zu klagen.
    Das Einzige, was mir am Siracusa nicht gefiel, war die Konkurrenz: Typen, die ein Gesicht machten, als wüssten sie das genaue Datum des Weltuntergangs. Eines Nachts wurde ich mit mehreren Unbekannten an einen Tisch gesetzt, bis ein Tisch für mich frei wurde. Diese Leute sprachen über Jazz und hatten sehr gebildete Ansichten. Sie schienen mein Schweigen geradezu zu genießen, weil es meine Unwissenheit verriet. Ellington, rief ich aus, als mir endlich der Nachname eines Jazzmusikers einfiel. Aber meine Tischnachbarn erwarteten auch den Rest der Geschichte. Den es nicht gab, ich wusste noch nicht mal seinen Vornamen. Später erfuhr ich, dass er Duke hieß. In jener Nacht stieß mich meine Anmaßung in den tiefen Abgrund meiner Unwissenheit hinab und brachte mir die Verachtung der Siracusa-Gemeinde ein.
    Wintilo schien vom Siracusa enttäuscht zu sein.
    Eine angenehm hässliche junge Frau nahm unsere Bestellung auf: »Und was trinken Sie, Señor?«
    »Erleuchte mich!«, bat ich sie, die Worte von einem Schild wiederholend, das hinter der Frau an der Wand hing, neben verschiedenen Jazzplakaten der Sorte, auf der farbige Musiker Trompete spielen und genüsslich lachen, weil mehr Leben in ihnen steckt als in den Weißen.
    »Einen Alfonso XIII?«
    Ausgerechnet. Der Drink erinnerte mich an meinen Vater. An seine Milch mit Rum.
    Ich nahm die Empfehlung an, in memoriam sozusagen.
    Dann forderte ich Wintilo auf, mir weiter von dem Typen zu erzählen, der die Romanze zwischen Roberto und Efrén gestört hatte.
    Er erzählte, der Kerl sei so schnell wieder abgehauen, dass Benjamín ihn gar nicht gesehen habe, weshalb er ihn auch nicht detailliert beschreiben könne.
    »Einige Nächte später«, fuhr Wintilo fort, »kommen Roberto alias Maika und die Tunte Efrén wieder ins Hotel. Benjamín gibt ihnen den gewohnten Schlüssel, Zimmer 309. Sie gehen hinauf, und Benjamín kehrt zu seiner Beschäftigung zurück, der Lektüre von Sakrileg. Dreißig Minuten später ertönen Schreie, die an Benjamíns Ohren dringen, obwohl sie aus dem fünften Stock stammen. Er überlegt, ob er hochgehen soll, beschließt, die Polizei zu rufen. Wir kommen an und riegeln das Hotel ab. Wir durchsuchen die Zimmer. Nichts. Nur der Tote, nur Benjamín Sánchez, der sich vor Angst in die Hose macht. Die Fingerabdrücke, die wir im Zimmer finden, stammen von Gott und der Welt, weil Gott und die Welt da vorbeigekommen sind. Wenn du mich fragst, habe wahrscheinlich sogar ich dort schon eine Nummer geschoben. Man bekommt zwei Miniflaschen Whisky geschenkt, wenn man ein Zimmer mietet.«
    »Judith hat mir erzählt, dass du noch einmal ins Fata Morgana zurückgegangen bist.«
    »Um ihr ein paar Schläge zu verpassen«, gab Wintilo zu. »Du weißt doch, wie betrunken ich war.«
    Ich warnte ihn, nie wieder hinter meinem Rücken zu handeln. Er zwinkerte mir zu und hob die Hand zum Schwur.

 
     
     
     
     
     
    S tunden später drehte sich alles: das Dach, die Möbel, meine Eingeweide, meine Gedanken. Ich erinnerte mich, beim Verlassen des Siracusa verwirrt gewesen zu sein, verwirrt, weil Wintilo mir nichts von seinem zweiten Besuch bei Judith erzählt hatte und beim Fund von Efréns Leiche persönlich dabei gewesen war, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen. Was Benjamín ihm erzählt hatte, überzeugte mich auch nicht, also fuhren wir zusammen noch einmal zu ihm. Wir konnten uns jedoch kaum verständlich machen, sternhagelvoll wie wir waren. Zähneknirschend erlaubte er uns, das Hotel erneut unter die Lupe zu nehmen, unter der Bedingung, dass wir keine Gäste belästigten. Als er uns mühsam die Treppe hochtorkeln sah, schüttelte er den Kopf.
    Wir gingen auf die Dachterrasse hinauf und sahen uns um. Nördlich schloss ein brachliegendes Grundstück an, während im Süden die Dachterrasse eines niedrigeren Gebäudes lag. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass der als Maika

Weitere Kostenlose Bücher