Schwarze Piste
vermutlich aus Messing, angebracht war. Darauf sehr undeutlich ein Logo oder Schriftzug. Janette ließ das Bild durch ein spezielles Programm bearbeiten, und es wurde schärfer. Der Schriftzug war lückenhaft. Halbwegs lesbar waren die Buchstaben V..V.T, dann ein Abstand, gefolgt von A… ON .A.
»Ich habe einiges ausprobiert bei Google. Es gibt ein kleines Modelabel unter dem Namen
Velvet Anaconda.
Die stellen auch Handtaschen her und beliefern nur eine Handvoll Läden in München. Ich hab denen das Foto geschickt. Also nur die Handtasche. Das Modell wurde von Sommer 2007 bis Frühjahr 2008 hergestellt.«
»In welcher Stückzahl?«
»Es wurden einhundertzweiunddreißig dieser Taschen ausgeliefert.«
»Wow«, sagte Wallner. »Wenn wir Glück haben, gibt’s für jede davon noch einen Kreditkarten- oder EC -Kartenbeleg.«
»Und wenn wir noch mehr Glück haben, wird eine der Käuferinnen vermisst.« Janette lächelte ihren Chef eine Spur zu frech an.
»So in etwa hatte ich mir das vorgestellt. Spricht was dagegen?«
»Es gibt keine passende Frau, die in Bayern verschwunden ist – und noch gesucht wird. Habe ich schon gecheckt.«
»Sehr löblich. Aber es muss ja niemand aus Bayern sein. Jeder kann die Tasche in München gekauft haben. Wir sollten auf alle Fälle die anderen Bundesländer und das europäische Ausland einbeziehen.«
Janette nickte und notierte es sich.
»Wie gehen wir weiter vor?«, fragte Mike.
»Ich werde erst mal eine Ermittlungsgruppe installieren. Hauptsächlich wegen des Fotos. Wir müssen rauskriegen, was das ist, und vielleicht hängt es ja auch mit dem Tod von Sophie Kramm zusammen. Wir vier und Tina werden die Gruppe bilden. Als Erstes müssen wir sämtliche Taschenkäufer checken. Entweder ist die Tote auf dem Foto dabei oder jemand, der sie kennt. Außerdem veröffentlichen wir eine Suchmeldung. Wir können ja reinschreiben, dass die Tote vermutlich zwischen Sommer 2008 und Sommer 2011 verschwunden ist. Kann man sagen, wie alt sie ist?« Wallner sah Janette an.
»Sie ist etwa einen Meter siebzig groß, also ausgewachsen. Den Haaren und der Kleidung nach nicht älter als, sagen wir, fünfunddreißig. Eher jünger. Auch die Handtasche ist eher was für Jüngere.«
»Gut. Das geht an die gesamte lokale Presse in Oberbayern Süd. An die Arbeit.«
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17
K rugger fror an den Füßen. Die Halbschuhe waren falsch gewählt für einen längeren Spaziergang am verschneiten Isarufer – der im Übrigen nicht vorgesehen gewesen war. Wenn es nach Krugger gegangen wäre, hätte man sich in einem Wirtshaus oder dem Foyer eines großen Hotels getroffen, hätte in angenehm beheiztem Ambiente Kaffee getrunken und geredet. Aber Frank hatte darauf bestanden, im Freien zu reden. Krugger vermutete, dass das eine überflüssige Vorsichtsmaßnahme war, die den einzigen Sinn hatte, ihm, Krugger, zu beweisen, dass Frank die Sache wie ein Profi anging. Kruggers Schuhe waren aufgeweicht, der eisige Wind blies ihm gelegentlich eine Schneeflocke ins Gesicht. Es war ein beschissener, grauer Tag.
Frank hieß vermutlich nicht Frank. Und das war in Ordnung. Krugger wollte nichts über Frank wissen. Und je weniger Frank über Krugger wusste, desto besser. Leider war Krugger gezwungen, Frank die zur Erfüllung seines Auftrages nötigen Informationen zu geben, was auch einiges Wissen einschloss, über das bislang Krugger allein verfügt hatte. Es blieb ihm nur zu hoffen, dass er mit Frank eine gute Wahl getroffen hatte.
»Sie wissen, worum es geht?«
»Um a verschwundenes Geld. Und um Leut, die wo Ihnen gefährlich werden könnten.« Der äußerliche Eindruck von Frank war der eines altgedienten Mafia-Killers. Ein Meter siebzig, kompakt und von bemerkenswerter Körperspannung für jemanden, der vermutlich in seinen Fünfzigern war. Das Gesicht kantig, lebenserfahren; Brutalität und Abgeklärtheit blitzten aus den graublauen Augen. Franks schwerfällig bayerische Aussprache jedoch machte all das zunichte und warf ihn auf die Stufe eines tumben Wirtshausschlägers zurück. Dennoch – es blieben diese graublauen Augen, die einem das Gefühl gaben, man könne sich unbedingt auf Frank verlassen, wenn es darum ging, anderen Menschen etwas anzutun.
Krugger hielt eine zusammengefaltete Zeitung in der Hand und deutete mit dem Finger darauf. »Die Frau vom Wallberg ist wahrscheinlich einer dieser Leute.«
»Sie kennen die Tote?«
»Nein. Na ja, irgendwo schon. Es ist kompliziert. Ich erkläre Ihnen das
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