Schwarze Piste
männlichen Käufern waren zwölf noch mit der Frau zusammen, für die sie die Handtasche gekauft oder bezahlt hatten. Vier weitere konnten die damalige Handtaschenempfängerin immerhin benennen. Drei Ex-Freundinnen und eine Ehefrau im Trennungsjahr. Vierzehn der siebzehn beschenkten Frauen hatten ihre Handtaschen noch, eine hatte sie auf dem Oktoberfest 2010 verloren, eine weitere ihr Exemplar diesen Sommer im Ammersee versenkt. Abgesehen von den drei bar bezahlten Stücken blieb somit eine Tasche übrig. Sie war mit der Kreditkarte eines Werbetexters namens Herbrand bezahlt worden.
Herbrand konnte sich nicht erinnern, eine Trachtenlederhandtasche gekauft zu haben, wie er auf telefonische Anfrage zu Protokoll gab. In der fraglichen Zeit sei ihm seine Kreditkarte gestohlen worden, was er auch angezeigt habe. Leider habe er keine Unterlagen mehr zu diesem Vorfall. Zur Sicherheit zeigten die Kommissare der Inhaberin des Dirndl-Rausch und Schatzi ein Foto von Roland Herbrand. Beide kannten den Mann nicht. Zwar lag der Kauf vier Jahre zurück, doch hatte Herbrand ein markantes Gesicht, nicht unattraktiv, aber mit zusammengewachsenen Augenbrauen und schiefer Nase. Das hätte er sich gemerkt, sagte Schatzi.
Die Herbrands lebten in einer teuer sanierten Altbauwohnung in Haidhausen, zweiter Stock, mit kleinem Balkon auf den Hinterhof. Im Flur der Wohnung fochten ein paar Einrichtungsstücke aus Designerhand einen verlorenen Kampf gegen Kinderkleidung und Sportgeräte, die in großer Zahl herumlagen. Das Kind selbst war nicht zu sehen. Die Frage nach seinem Alter wurde mit neun beantwortet, ohne dass Herbrand mehr erzählte. Er führte die Kommissare in ein Arbeitszimmer, ließ sie auf einer Couch Platz nehmen und setzte sich auf seinen ergonomischen Bürostuhl.
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen«, sagte Herbrand, als die Sprache auf seine Kreditkarte kam, und fuhr mit den Handflächen über seine Oberschenkel.
»Möglicherweise schon.« Wallner überließ Mike das Gespräch, während er selbst sich darauf beschränkte, Herbrands Körpersprache zu beobachten. »Es wäre für uns von großem Nutzen zu wissen, wo Ihnen die Karte abhandengekommen ist.«
»Das war ja das Problem. Ich habe es erst nach zwei Tagen bemerkt. Ich benutze die Karte eigentlich nur auf Reisen für Hotels.«
»Aber Sie haben sie immer dabei?«
»Damals. Inzwischen nehme ich sie nur noch mit, wenn ich weiß, dass ich sie brauche.«
»Wo haben Sie die Karte damals aufbewahrt?«
»In meinem Portemonnaie.«
»Haben Sie das Portemonnaie noch?«
Herbrand zog aus der Gesäßtasche seiner Jeans einen alten Geldbeutel, der so dick war, dass sich Wallner fragte, wie man mit so etwas in der Hose gerade sitzen konnte. Mike ließ sich das Fach zeigen, in dem die Kreditkarte einst gesteckt hatte. »Da kann sie eigentlich nicht rausfallen, oder?«
»Kaum«, musste Herbrand zugeben.
»Das heißt, jemand hat sie rausgenommen. Sie wurde gestohlen.«
»Ja. Vermutlich. Was weiß ich – Taschendiebe. Gibt’s die noch?«
»Ja, die gibt’s noch. Aber die nehmen den ganzen Geldbeutel und schmeißen alles weg, was sie nicht brauchen können.«
»Dann weiß ich nicht.«
»Sie müssen damals in einer Situation gewesen sein, wo man Ihnen die Kreditkarte entwenden konnte. Überlegen Sie doch bitte.«
»Das ist vier Jahre her. Ich weiß das nicht mehr.« Herbrand hatte die Füße unter den Bürostuhl gezogen, wischte erneut die Hände an den Oberschenkeln ab und fasste sich an den Hals.
»Denken Sie nach«, sagte Mike.
Herbrand zuckte mit den Schultern. »Vielleicht … im Fitnessstudio. Keine Ahnung.«
Mike schwieg, ließ Herbrand Zeit. »Es tut mir wirklich leid. Ich würde es Ihnen ja sagen, wenn ich’s wüsste.«
Frau Herbrand steckte den Kopf herein. Sie wollte fürs Abendessen einkaufen und fragte ihren Mann, ob er besondere Wünsche habe. Herbrand verneinte.
»Wir reden grad über die Kreditkarte, die Ihrem Mann vor vier Jahren weggekommen ist. Haben Sie noch eine Erinnerung, wo die vielleicht gestohlen wurde?«
»Das war damals ziemlich merkwürdig. Mein Mann wusste überhaupt nicht, wie das passiert war. Die Karte war irgendwann einfach weg.«
»Ich hab in meinem Leben schon so viel verloren …« Herbrand saß mit verschränkten Armen und hochgezogenen Schultern auf seinem Bürostuhl und war sichtlich bemüht, ahnungslos auszusehen.
Die Kommissare warteten im nahe gelegenen Café am Wiener Platz bei einem Cappuccino
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