Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
brauchten sich nur um Ihre wesentlichen Aufgaben zu kümmern.“
Es schien ihr etwas Lauerndes in seinem Blick zu liegen, aber vielleicht war er einfach nur erwartungsvoll auf sie gerichtet. Dennoch glaubte Violet, dieses seltsame Angebot zu durchschauen. Eine Hausdame war üblicherweise eine Frau in gesetztem Alter, die sich in der Führung des Haushaltes bestens auskannte und jahrelange Erfahrung mitbrachte. Einem unbekannten, jungen Mädchen solch eine Stelle anzubieten war völliger Unsinn und konnte auf keinen Fall ernst gemeint sein. Es war nur allzu klar, dass er ganz andere Absichten mit ihr hatte.
„Ich fühle mich sehr geehrt von diesem Angebot“, sagte sie mit Höflichkeit, und spürte, wie sich ihr Rücken vor innerer Abwehr versteifte. „Aber ich kann es leider nicht annehmen.“
Er schien enttäuscht, runzelte ärgerlich die Stirn und schnippte mit dem Finger.
„Nun kommen Sie schon, Miss Burke! Solch eine Chance bekommen Sie nie wieder in Ihrem Leben. Ich zahle Ihnen hundert Pfund im Jahr.“
Hundert Pfund! Sie glaubte, sich verhört zu haben. Einen Augenblick lang geriet ihre Abwehrhaltung ins Wanken. Vielleicht suchte er ja wirklich eine Hausdame? Vielleicht hatte er ihr ja seinen wahren Namen genannt? Ach, wenn doch Grace jetzt neben ihr säße, sie wüsste ganz sicher, wie mit einem solchen Angebot umzugehen war.
„Könnte sich nicht auch für meine Freundin, Miss Dolloby, ein Posten bei Ihnen finden?“, fragte sie zögernd.
Mr. Marlow schien dieses Ansinnen zu erheitern, denn ein kurzes Grinsen zuckte über sein Gesicht, so als habe jemand einen altbekannten Scherz gemacht.
„Für Grace? Wohl kaum. Es geht um Sie, Miss Burke. Um Sie allein!“
Das Wort „allein“ brachte sie wieder zu sich. Allein mit diesem Menschen in einem großen Haus! Nein, sie würde sich auf so etwas nicht einlassen. Nicht für Tausend Pfund und auch nicht für eine Million. Hatte sie nicht gerade eben noch Grace gegenüber stolz erklärt, sich niemals an einen Mann zu verkaufen?
„Es tut mir sehr leid, Mr. Marlow. Aber ich verstehe nicht das Geringste von der Führung eines Haushalts. Ich verdiene meinen Unterhalt als Klavierlehrerin.“
Erstaunen breitete sich über seine Züge, dann begann er zu lachen. Es war ein lautes, hämisches Gelächter, bei dem es Violet eiskalt über den Rücken lief.
„Als Klavierlehrerin?“, rief er belustigt. „Und davon können Sie leben?“
„Das sehen Sie ja“, gab Violet beleidigt zurück. „Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt, Mr. Marlow.“
Er war sofort wieder ernst und sah aus, als habe er nie in seinem Leben gelacht. Stattdessen schnaubte er durch die Nase und blitzte sie mit dunklen, schmalen Augen an.
„Humbug!“, knurrte er. „Denken Sie, ich nehme Ihnen diese Geschichte ab? Alle Klavierlehrerinnen, die ich kannte, waren jenseits der Fünfzig, ältliche Damen mit Ringellöckchen und verhärmten Gesichtern. Sie sind eine junge, sehr attraktive Person, Miss Marlow. Sogar dann noch, wenn Sie völlig verwahrlost und dreckig in ein Haus stürzen, und Miene machen, im nächsten Augenblick in Tränen auszubrechen!“
Das war zu viel – Violet war mit ihren Nerven am Ende. Sie fuhr vom Stuhl auf, wagte sogar, einen Schritt näher an ihn heranzutreten, und ihre Stimme schnappte über, so zornig war sie.
„Ich lasse mich nicht länger von Ihnen beleidigen, Mr. Marlow oder wie Sie sonst auch heißen mögen. Verlassen Sie auf der Stelle diesen Raum!“
Er zog langsam die Beine an und erhob sich. Als er vor ihr stand, überragte er sie um fast zwei Köpfe, sodass sie vor dem eigenen Mut erschrak.
„Schau an, junge Lady. Sie können ja richtig zornig werden. Dennoch sollten Sie sich mein Angebot noch einmal in Ruhe überlegen.“
„Hinaus!“
Er zuckte die Schultern, wandte sich um und ging tatsächlich. Sie hörte, wie er im Flur Hut und Mantel von Mary forderte, dann schlug die Haustür hinter ihm zu und Violet atmete erleichtert auf.
Sie verschwieg Grace dieses Gespräch und verbrachte den frühen Nachmittag in ihrem Schlafzimmer unter dem Vorwand, ein wenig ausruhen zu wollen, da es am Abend gewiss spät werden würde. Gegen halb vier zog sie ihr bestes Kleid an, ein cremefarbiges Sommerkleid mit leichtem Dekolleté, weit gebauschten Ärmeln und Spitzen an den Manschetten, steckte das Haar hoch und setzte den kleinen, aus grünem Samt gearbeiteten Hut auf, der einst ihrer Mutter gehörte. Er passte recht gut zu dem Umhang, den Grace ihr
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