Schwarze Rosen
vier Wänden zu sein.
Doch es fiel ihm schwer, die Anspannung der letzten Stunden abzuschütteln.
11
Er ging die Fälle durch, mit denen er sich in letzter Zeit beschäftigt hatte.
Der Einsatz gegen die Cosa Nostra im Jahr 2001?
Nein, unmöglich. Das war Schnee von gestern.
2001 war auch das Jahr des zweifachen Autoanschlags gewesen: des einen auf ihn, den er knapp überlebt hatte, und des anderen, der seine Freundin, die OberstaatsanwältinAnna Giulietti, das Leben gekostet hatte. Sie und ihr Fahrer waren mit einer Sprengladung getötet worden, als sie auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft gewesen waren.
Doch die Mafia hatte inzwischen andere Probleme und musste sich mit internen Kämpfen und der Schwächung ihrer Stellung innerhalb der globalen organisierten Kriminalität herumschlagen. Teils aufgrund der empfindlichen Schläge, die ihr durch die Festnahme und Verurteilung wichtiger Bosse beigebracht worden waren, teils durch den Ausfall von Vertretern, die ausgestiegen waren oder gar mit der Justiz zusammenarbeiteten.
Die Ermittlungen gegen die ’Ndrangheta?
Erst vor ein paar Monaten hatte er einen bewährten Lieferkanal für Kokain der kolumbianischen Produzenten auseinandergenommen und dazu beigetragen, die Auftraggeber eines Blutbads an einigen Kalabriern in einer Wohnung in Manhattan dingfest zu machen.
Aber auch diese Möglichkeit verwarf Ferrara gleich wieder.
Seine Rolle war vorwiegend die eines Koordinators zwischen der amerikanischen und der italienischen Polizei gewesen, in seiner Eigenschaft als Leiter der Antimafia-Ermittlungszentrale in Rom. Außerdem ging die ’Ndrangheta nicht so raffiniert oder so umständlich vor, sondern beglich offene Rechnungen mit Feinden unmittelbar, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen und deutliche Botschaften auch an Dritte und die eigenen Mitglieder zu senden.
Der Commissario ging noch weiter in der Zeit zurück und stieß auf einen einzigen Fall, der eine plausible Erklärung für die scheinbar unmotivierten Drohungen liefern konnte: die Untersuchung zum sogenannten »Monster von Florenz«, in deren Verlauf er einer geheimen Macht auf die Spur gekommen war, die hinter den Kulissen ihre Fäden gezogen hatte. Bis die Ermittlungen gestoppt worden waren.
War das etwa schon wieder eine Herausforderung von dieser Seite?
Die neueste in dieser verfluchten Angelegenheit?
Es war schon fast Mitternacht, als Ferrara zu Bett ging.
In der Stadt dagegen begann um diese Zeit erst das Nachtleben; in den Diskotheken, den privaten Klubs und den Salons des Großbürgertums, in denen auch die Adligen und die Neureichen verkehrten.
Das verborgene Florenz.
Das es immer gegeben hatte und immer geben würde.
12
Die Nacht war klar.
Die Zypressen, ordentlich aufgereiht an der Allee, die zu der Villa führte, zeichneten sich vor dem vom Vollmond erhellten Himmel ab. Nur das vereinzelte Hundegebell von ein paar abgelegenen Höfen in den Hügeln störte die magische ländliche Stille.
Enrico Costanza saß im Halbdunkel mit dem Rücken zur Tür an einem wuchtigen Schreibtisch. Er trug einen Maßanzug, und sein bleistiftschmaler Schnurrbart war genauso weiß wie seine Haare. Er wartete voller Ungeduld.
Der Raum war sehr groß und hatte drei Fenster mit schweren bordeauxroten Vorhängen davor. Nur zwei antike sechsarmige Kandelaber aus massivem Silber, die an gegenüberliegenden Seiten je auf einer Stilkommode standen, erhellten ihn. Die über vier Meter hohe Decke war mit religiösen Szenen bemalt, und an einer Wand prangte das Porträt eines Vorfahren, eines Mannes mit grauem Vollbart, strenger Uniform und langem schwarzem Umhang.
»Endlich«, murmelte Costanza und drehte sich um, als er die Schritte hörte.
Ein livrierter Butler führte einen Besucher herein, der ein Päckchen in der Hand hielt.
»Warum kommst du so spät?«, fragte Costanza, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren.
»Mir ist etwas dazwischengekommen. Nichts von Bedeutung«, antwortete der andere knapp. Er pflegte sich nicht zu rechtfertigen. Er blieb aufrecht stehen, und seine langen Arme lagen locker an seinem wohlgeformten, durchtrainierten Körper. Die grauen Augen in dem perfekten Oval seines Gesichts waren fest auf den Hausherrn gerichtet. Dann ging er zum Schreibtisch und legte das Päckchen dort ab.
»Macht ja nichts, aber hast du vielleicht irgendwelche Probleme?«
»Nein, keinerlei Probleme. Ich bin völlig ruhig.«
»Sehr gut!« Der alte Mann klang erfreut. »Sehr
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