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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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der kleinen Knöpfe aus ihrem Ohr, damit ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
    »Ich hoffe, du wirst mir das verzeihen, Vic, aber ich wollte mich auch erkundigen, ob Pierre vielleicht Arbeit für mich hat. Ich habe es versucht, ein ehrlicher Mann zu werden, aber ich glaube, das Leben als gesetzestreuer Bürger und Nur-Schriftsteller ist einfach nichts für mich. Mein altes Leben fehlt mir zu sehr. Die letzte Woche war die Hölle, gar keine Frage, aber ich kann nicht leugnen, dass es einen Heidenspaß gemacht hat, mal wieder dem alten Laster zu frönen. Verwerflich, ich weiß, aber so bin ich nun mal.«
    »Ach, entspann dich«, sagte sie, wickelte den Kopfhörer um das Diktiergerät und griff nach ihrem Weinglas. »Das habe ich Daddy gestern Abend auch schon gesagt.«
    »Hast du?«
    Sie verdrehte die Augen. »Ich kenne dich besser, als du glaubst, Charlie. Und um ganz ehrlich zu sein, halte ich das für eine ausgezeichnete Idee.«
    »Tust du?« Ich befühlte mit der Hand ihre Stirn. »Geht es dir gut? Hast du vielleicht Fieber?«
    »Ich bin doch kein Depp, Charlie.« Empört schlug sie meine Hand weg. »Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, wie es dich in den Fingern juckt. Und aus jeder Zeile deines Manuskripts kann man ablesen, wie sehr dir dein altes Leben fehlt. Wenn du mich fragst, dann ist das auch der Grund, weshalb dein Buch so hoffnungslos überzeichnet ist.«
    »Ach.«
    »Jetzt schau mich nicht so an mit deinen traurigen Hundeaugen. Du hast dir doch schon denken können, was ich von dem Manuskript halte.«
    »So schlimm, hm?«
    »Kommt drauf an.« Sie stellte ihr Weinglas auf den Tisch und drehte es am Stiel um die eigene Achse. »Ich habe eine Idee, wie man trotzdem noch was daraus machen könnte.«
    »Ojee. Klingt nach großem Umschreibalarm.«
    Ich warf Alfred einen Blick zu. Der strahlte mich mit seinen dritten Zähnen an und nahm sich noch ein Eckchen Weichkäse. »Victoria hat mir gestern Abend von ihrer Idee erzählt«, sagte er und steckte sich den Käse in den Mund. »Ich finde sie ziemlich gut.«
    »Muss sie auch sein«, entgegnete ich, »wo ich meinen altbewährten Malteser Falken nicht mehr habe.«
    »Eigentlich ist es ganz einfach«, meinte Victoria und ignorierte mein selbstmitleidiges Gejammer. »Es hat nur ein Weilchen gedauert, bis ich darauf gekommen bin. Die Sache ist die, du hast keinen Michael-Faulks-Krimi geschrieben. Das denkst du vielleicht, aber er ist völlig anders als die anderen – der Unterschied zu der restlichen Reihe wäre zu markant. Aber ich glaube, die Grundidee des Buchs ist durchaus brauchbar, mit dem einen oder anderen Kniff hier und da, vorausgesetzt, du änderst eine entscheidende Sache.«
    »Und die wäre?«
    »Deine Hauptfigur.« Sie strich mir über die Wange. »Lass Faulks da raus und nimm stattdessen eine mondäne Meisterdiebin und katzenhafte Fassadenkletterin.«
    »Du scherzt doch wohl.«
    »Nicht mal ansatzweise.« Wie zum Beweis ihrer Ernsthaftigkeit schüttelte sie entschieden den Kopf. »Das Buch wird ein eigenständiges Werk. Wobei du dir schon einen besseren Namen für deine weibliche Hauptperson ausdenken solltest als Graziella, aber sonst würde ich sagen, ist sie doch die perfekte Vorlage, meinst du nicht?«
    Ich schürzte die Lippen, dann setzte ich mein Weinglas an und kostete die Idee. »Meinst du, das könnte funktionieren?«
    »Ich habe mir gestern mit Dad zusammen schon ein paar Notizen gemacht.« Sie zerknüllte ihre Serviette und legte sie auf den Tisch. »Soll ich sie schnell holen?«
    »Was soll’s«, rief ich, »warum nicht, hm?«
    Victoria schlängelte sich aus unserer Sitznische und spazierte den Gang entlang auf die automatische Schiebetür zu. Ich winkte derweil den Kellner heran und bestellte drei Espressi. Der Zug ratterte und zischte, als die Bremsen anzogen und wir die Fahrt für unsere Ankunft in Verona verlangsamten. Vor unserem Fenster glitt gemächlich eine beleuchtete Agip-Tankstelle vorbei, gefolgt von einem Wasserturm aus Beton und einem schäumenden Fluss.
    »Wissen Sie«, sagte Alfred, »meine Tochter ist sehr wählerisch, was ihre Gefühle angeht.«
    Ich drehte mich zu ihm um, noch ehe ich recht gehört hatte, was er sagte. Und musste dann einsehen, dass das womöglich ein Fehler gewesen war.
    »Ach, nun schauen Sie doch nicht so verschreckt aus der Wäsche«, sagte er zu mir. »Ich will Ihnen keine Ermahnung mit auf den Weg geben, Charlie. Ich mag Sie. Und Victoria mag Sie auch, mehr will ich gar nicht sagen.

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