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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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sie gefoltert. Und ihr dann die Kehle aufgeschlitzt.«
    »Habt ihr schon einen Verdächtigen? Ein Motiv?«
    War er hier beim Parteikommissar, oder was?
    »Was sagt dein berühmtes Gefühl?«, fragte Minh weiter.
    »Was soll das? Mein Instinkt ist ja kaum ein Indiz für eine Mordermittlung.«
    »Mann, bist du empfindlich. Du brauchst wirklich Urlaub. Sonst ertrag selbst ich dich bald nicht mehr.«
    »Zu gerne. Und wann?«
    »Nimm dir frei.«
    Ly winkte ab. »Die Tote hatte ein chinesisches Schriftzeichen über dem Steißbein eingebrannt. Das doppelte Glückszeichen. Hast du so was schon mal gesehen?«
    Minh überlegte nicht lange. »Mit MTV haben sich die Schönheitsideale verändert. Früher wurden den Mädchen in langwierigen Prozeduren die Zähne schwarz gefärbt. Heute brennen sich die Jugendlichen eben Tattoos in die Haut.«
    Die Antwort befriedigte Ly nicht. Die Tote sah nicht nach einer hippen Städterin aus, die Geld für Modetrends übrig hatte. Und letztendlich wurden Tattoos immer noch vor allem mit Strafgefangenen, Gangstern, Fußsoldaten und Prostituierten in Verbindung gebracht. Oft wiesen sie auf die Zugehörigkeit zu einer Bande hin. Das konnten Drachen, Tiger oder einzelne Buchstaben sein. Es war fast wie eine Geheimsprache. TTTTT beispielsweise bedeutete tinh, tien, tu, toi, thu . Liebe, Geld, Gefängnis, Verbrechen, Rache. Manche Menschen glaubten auch, dass bestimmte Tattoos Kraft und Schutz verliehen. So wappneten Seeleute sich mit tätowierten Krokodilen gegen gefährliche Raubfische. Und der Drache stand für Kraft und Macht.
    Minh blätterte die Polizeifotos durch, die Ly ihm zugeschoben hatte. An einem Foto blieb sein Blick hängen. Er drehte es um. Dr. Quang hatte notiert: Brandwunden von Zigaretten, rechtes Handgelenk, Innenseite, verheilt, älteren Datums.
    »Kleinkriminelle drücken sich ja gerne mal glühende Zigaretten auf der Haut aus. Mutproben, Angeberei. So ein Blödsinn eben. Aber eine Frau?« Minh sprach so laut, dass mehrere Gäste sich zu ihnen umdrehten.
    Ly beugte sich weiter zu Minh hinüber und sagte mit gesenkter Stimme: »Es könnte auch eine Foltermethode gewesen sein. Ein milder Vorgeschmack auf das, was folgte.«
    »Aber wieso sind diese drei Brandzeichen im Dreieck angeordnet?«
    »Zeig mal.« Ly war das bisher gar nicht aufgefallen. Bevor sie aber weiter darüber reden konnten, wurden sieunterbrochen. Es war Xuan, Lys Kollege vom Wasserschutz.
    »So weit weg vom Fluss?«, fragte Ly, wunderte sich aber nicht wirklich. Xuans Internetcafé und Minihotel lagen nicht weit von Minhs bia hoi entfernt.
    »Die Geschäfte laufen auch ohne mich.« Xuan grinste und setzte sich. »Nein, mal ehrlich, unten auf dem Fluss ist gerade nicht viel zu tun für uns. Kein Regen, wenig Wasser, der Flussverkehr ist ziemlich eingeschränkt. Da kommen meine Jungs auch gut ohne mich klar.«
    Minh orderte mehr Bier.
    Ly, den die Sitzung am Nachmittag noch immer beschäftigte, fragte Xuan: »Sag mal, was meinst du? Wieso hat Parteikommissar Hung den Mord während der Sitzung nicht angesprochen?« Ly wusste einfach nicht, wo er beim Parteikommissar dran war.
    »Du meinst, ob er es vergessen hat?«, fragte Xuan.
    Ly nickte.
    »Manchmal glaube ich fast, es interessiert ihn alles gar nicht mehr. Wenn du mich fragst: Er ist alt. Er sollte in Pension gehen und Bonsais züchten.« Xuan schwieg einen Moment und sah in sein Bierglas, das Minh ihm hingestellt hatte. Dann hob er das Glas: »Auf die Bonsais. Und darauf, dass du den Scheißkerl fasst, der dieses Mädchen umgebracht hat.« Sie tranken.
    Plötzlich wurde es unruhig. Ein glänzend weißer Pickup rollte die Straße entlang. Auf einem Klappstuhl auf der Ladefläche saß ein Mann in der pfirsichfarbenen Uniform der Verkehrspolizisten, mit Sonnenbrille und blassem Tropenhelm, die Arme vor der Brust verschränkt. Über Megaphon befahl er: »Aufräumen, Gehwege frei machen!«
    Motorräder, die eben noch den Weg versperrt hatten, verschwanden hinter Haustüren. Frauen mit Lasten über den Schulterstangen huschten in schmale Hausdurchgänge. Tische und Stühle der umliegenden Garküchen wurden hektisch weggeräumt. Gäste sprangen auf, standen verloren mit Tellern und Gläsern in den Händen herum und warteten, bis das Schauspiel vorbei war und sie weiteressen konnten. Minh schaute nur kurz auf und bedeutete seinen Gästen, sitzen zu bleiben.
    »Hey, du«, fauchte der Polizist, sprang von der Ladefläche und baute sich vor einer fliegenden Händlerin auf.

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