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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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trug weder Schminke noch Nagellack.«
    »Eine Wanderarbeiterin?«
    »Gut möglich. Die gebräunte Haut. Die schlichte Kleidung. Und Stadtmädchen ihres Alters sind im Allgemeinen besser genährt. Größer und kräftiger.«
    Ly seufzte. Diese Wanderarbeiter, Bauern auf der Suche nach einem kleinen Anteil am städtischen Glück, verdingten sich als Tagelöhner, sammelten Müll, putzten Schuhe, verkauften Luftballons oder ihren Körper. Für einen Hungerlohn. Meist hatten sie keine Verwandten in der Stadt. Es könnte ziemlich lange dauern, bis man sie als vermisst meldete.
    »Und weiter?«
    »Dicke Hornhaut an den Innenseiten von Daumen und Zeigefingern und an den Füßen. Auch in der Senke der Füße, nicht nur an Ferse und Ballen. Solche Füße kenne ich von Cyclofahrern, die barfuß in die Pedalentreten. Aber eine Frau, die Cyclo fährt? Hab ich noch nie gesehen.«
    »Todesursache?«
    »Du hast sie doch gesehen. Der Schnitt durch die Kehle. Das Messer habt ihr ja gefunden.« Dr. Quang holte tief Luft, bevor er weitersprach. »Es war eine kaltblütige Hinrichtung. Ein gezielter glatter Schnitt, wie beim Schlachter. Das war kein Mörder, der mal schnell zugestochen hat. Ein Eifersuchtsdrama kannst du ausschließen. Er hat sie ganz langsam getötet. Mit Genuss, würde ich sagen. Er hat sie gefoltert, und nicht erst in der Mordnacht. Das dünne Seil, mit dem sie gefesselt war, hat in die Gelenke geschnitten. Die Furchen um das Seil waren blutig, teils schon schorfig. Sie hatte Hämatome an den Armen, Beinen, im Gesicht, am Leib. Bei einigen Wunden hatte der Heilungsprozess bereits eingesetzt. Sie müssen ihr bereits drei, vier Tage vor ihrem Tod zugefügt worden sein. Andere waren ganz frisch. Das Gesicht war zerschmettert, vermutlich mit der Faust.
    Ly hörte sich stöhnen. Die Beklemmung, die schon den ganzen Tag in ihm geschlummert hatte, kroch hoch. Dr. Quangs Ausführungen bestätigten, was er beim Anblick der Toten geahnt hatte. Er dachte an die Blumen, die ihn an einen Opferaltar erinnert hatten. Konnte es sich um ein sadistisches Ritual handeln? Ly schob den Gedanken beiseite. Irgendetwas sagte ihm, dass die Blumen, genauso wie der Tempel als Tatort, nur ein Ablenkungsmanöver waren. Oder ein Spiel. Er musste sich auf die üblichen Motive konzentrieren. Eifersucht, Gier oder Rache.
    »… sie hatte unter ihren Nägeln Spuren von Teer. Ihre Haut war bedeckt mit dem Staub von Erdnüssen. Als obsie in ihnen gebadet hätte«, sagte Dr. Quang. »Ly, hörst du mir eigentlich zu?«
    »Hm, sicher.«
    »Der Mörder muss sehr kräftig gewesen sein.«
    »Wurde sie vergewaltigt?«
    »Das blieb ihr erspart. Zumindest in der Zeit kurz vor ihrer Ermordung. Aber sie hatte mindestens eine Abtreibung. Nicht besonders gut gemacht.«
    »Könnte sie sich prostituiert haben?«
    »Wegen der Abtreibung? Schau dir die Schlangen vor dem vietnamesisch-deutschen Krankenhaus an. All diese jungen Dinger, die niemand aufgeklärt hat. Abtreibungen sind an der Tagesordnung. Bei ganz normalen Mädchen. Hast du deine Tochter aufgeklärt? Sie ist doch auch in dem Alter.«
    »Was ist denn das für eine Frage?« Sein kleines Mädchen. Und überhaupt, was ging das Dr. Quang an? So gut kannten sie sich ja nun auch wieder nicht. Aber Ly musste sich eingestehen, dass er sich über dieses Thema noch gar keine Gedanken gemacht hatte. Er seufzte. Ja, doch, er würde mit Huong sprechen. Oder nein, seine Frau musste das übernehmen. Sie war schließlich die Mutter.
    »Du musst ja wissen, was du machst oder nicht machst.« Dr. Quang schaute ihn ungewöhnlich ernst und mit nicht zu übersehendem Missfallen an und ging dann wieder zum Befund der Obduktion über. »Also, wenn sie sich prostituiert hat, muss sie viel Glück gehabt haben. Sie war gesund. Ich will dir einen Bericht darüber ersparen, mit was für Krankheiten diese Mädchen normalerweise hier ankommen.«
    »Irgendetwas, das sie identifizieren könnte?«
    »Brandwunden von Zigaretten, über den ganzen Körper verteilt. Die meisten wurden ihr kurz vor ihrem Tod eingebrannt. Ein paar hatte sie aber schon länger. Außerdem gibt es da ein chinesisches Schriftzeichen oberhalb des Steißbeins, auch das schon älter. Das Zeichen für doppeltes Glück.«
    »Doppeltes Glück?«
    »Dieses Ornament, das aus zwei miteinander verwobenen chinesischen Schriftzeichen besteht. Glück und Freude. Es ist ein Symbol für die Eheschließung und wird an die Türen der Häuser geklebt, in denen ein frischvermähltes Paar

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