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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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nichts.«
    Konnte es sein, dass die Tote Mitglied einer kriminellen Bande gewesen war?, fragte Ly sich. »Eine bestimmte Bande?«
    Hai Au schüttelte den Kopf. »Verraten Sie mir endlich, worum es geht?« Hai Au schlug jetzt einen scharfen Ton an.
    »Verkauf von Jungfräulichkeit.«
    Hai Au verzog sein Gesicht zu etwas, das wohl Ekel ausdrücken sollte.
    »Mit so was hatte ich nie etwas zu tun.«
    »Und Mord«, fügte Ly hinzu.
    »Mord? Dann geht es um die Tote vom Tempel? Sie verschwenden Ihre Zeit. Ich habe mich aus allem zurückgezogen. Ich betreibe nur noch diesen Laden hier, zum reinen Zeitvertreib. Ich habe mit diesem Mord nichts zu tun.« Seine Stimme hatte ihre Härte verloren. Es lag etwas Trauriges in ihr.
    »Haben Sie ein Alibi für die Tatnacht?«
    Hai Au bewegte den Kopf, ohne dass zu erkennen war, ob er bejahte oder verneinte. »Hier. Ich wohne im ersten Stock. Meine Kellnerin kann Ihnen mein Alibi bestätigen.«
    »Das Mädchen lebt mit Ihnen?«
    »Nun denken Sie mal nichts Falsches. Sie hat keine Familie in der Stadt. Und was soll sie viel Geld ausgeben, um irgendwo in einem überfüllten Schlafraum zu hausen?«
    Hai Au rief das Mädchen zu sich. Sie bestätigte das Alibi, wobei sie so leise sprach, dass Ly sie kaum verstand. Er war sich nicht sicher, ob sie sich mehr vor Hai Au oder vor ihm fürchtete.
    *
    Gegen sechs Uhr stieg Ly leicht angetrunken die Stufen zu seiner Wohnung hinauf. Am Kühlschrank klebte ein Zettel: Bin bei meiner Freundin Quynh. Schlafe dort. Deine Huong.
    Und dabei hatte Ly sich auf ein gemütliches Abendessen mit ihr gefreut. Er hatte nach seinem Besuch in der Lotusbar extra noch am Hom-Markt angehalten und in der großen Halle im Erdgeschoss einen frischen Marmorkarpfen gekauft. So frisch, dass er auf dem Markt noch ineiner Wasserwanne gezappelt hatte. Ly seufzte. Er konnte Huong ihre Abwesenheit kaum vorwerfen. Sonst war er derjenige, der nicht da war. Den Fisch packte er ins Tiefkühlfach.
    Er suchte das Telefon und fand es unter einem Haufen von Huongs T-Shirts. Er wählte die Nummer seiner Schwiegermutter, er wollte zumindest kurz mit seinem Sohn sprechen. Doch noch bevor jemand abnahm, legte er wieder auf. Duc würde nur Heimweh bekommen, wenn er anrief. Das wollte er ihm und sich ersparen. Ly legte sich aufs Bett, rauchte und fühlte sich mit einem Mal schrecklich einsam.
    *
    Strudel wirbelten. Das Wasser schäumte. Er ruderte. Immer wieder sah er einen Kopf aus den Fluten auftauchen. Es war der Kopf eines Mädchens. Er versuchte, zu ihr zu kommen, ruderte, ruderte, aber er kam nicht vorwärts. Er beugte sich weit über den Bootsrand, streckte die Hände nach ihr aus, er spürte ihre kalte Haut, aber sie entglitt ihm.
    Als er aufwachte, war es Nacht. Die Bilder des Traumes wälzten sich in seinem Kopf. Er tastete neben sich und sprang auf. »Huong!« Sie war nicht da. Er rannte in den Hof, riss die Tür zum Zimmer seines Bruders auf. Manchmal schlich Huong sich nachts zu ihrer Cousine hinunter. Aber auch da war sie nicht. Ly rannte nach vorn zu seiner Mutter, als ihm endlich einfiel, dass Huong bei einer Freundin übernachtete. Er lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Was war nur los mit ihm?
    Er ging wieder hinauf, legte sich hin und lauschte der Stille. Als er merkte, dass er nicht mehr einschlafen konnte, stand er auf und zog sich an.
    *
    Ziellos fuhr er durch die Gegend. Beim Motorradfahren hatte er sich immer schon gut entspannen können. Die Luft hatte noch Körpertemperatur. Wie ein feuchtes Tuch schmiegte sie sich an seine Haut. An einer Hausecke saßen ein paar ärmlich aussehende Männer, dem Anschein nach Wanderarbeiter. Sie tranken Schnaps und grillten Fleischspießchen über einer Schale mit Kohle, wobei sie die Glut mit einer Zeitung anfachten. Ansonsten waren die Straßen menschenleer. Die Ratten spazierten ungestört über die Stromkabel. Ly atmete die Luft tief ein. Die Mauern der Häuser verströmten einen süßen, moosigen Geruch.
    In der Höhe des Busbahnhofs nahm er die Auffahrt zur Long-Bien-Brücke. Die Brücke zwängte sich zwischen eng bebauten Häuserreihen hindurch, bevor sie zum Fluss kam. Unter sich konnte Ly die Lastwagen sehen, die ihre Fuhren für den Großmarkt abluden. Sie kippten Obst und Gemüse in Halden an den Straßenrand. Am Himmel standen die Laserstrahlen eines Nachtclubs.
    Die von den Franzosen erbaute Brücke war über hundert Jahre alt. Amerikanische Flugzeuge hatten sie schwer bombardiert, nie jedoch völlig

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