Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
Nacht?«
Ohne weiter darüber nachzudenken, antwortete sie: »Da stand der Wagen im Parkhaus, drüben in der Dong-Tac Nummer 7. Das ist eine alte Lagerhalle. Sie können die Wärter fragen. Den alten Hao oder seinen Sohn. Einer der beiden ist immer da.« Ly verspürte bei dieser Aussage so etwas wie Erleichterung. Er wollte nicht, dass diese Frau irgendetwas mit dem Mord zu tun hatte.
»Wieso genau interessieren Sie sich für den Wagen?«
Ly überlegte, was er ihr erzählen konnte. »Es geht um eine Mordermittlung.«
»Mord?« Nguyen Kim Thanh wurde blass. Ihre Stimme stockte. Ihr Entsetzen schien ganz und gar nicht gespielt. »Was … was habe ich mit einem Mord zu tun?« Sie schüttelte den Kopf, wie zu sich selbst.
»Ein Jeep wie der Ihre wurde in der Nähe eines Tatorts gesehen. Eine junge Frau wurde ermordet.«
»Sie sagten in der Nacht zum Samstag. Geht es um die Tote im Tempelhof? Grausam. Sie war ja kaum älter als meine Tochter.« Sie schenkte Tee nach und wirkte mit einem Mal weit weg.
Ly war vorerst fertig, fragte dann aber noch: »Wieso machen Sie das?« Er zeigte auf die Kiste unter dem Bett.
»Wieso ich mit gestohlener Ware handele? Meine Tochter soll im Ausland studieren. Sie soll eine gute Ausbildung bekommen. Das ist die einzige Chance, die sie hat, heutzutage.«
*
Der zweite Wagenhalter auf Lys Liste hieß Tran Dinh Nam, war laut Akte 35 Jahre alt, in Hanoi geboren, verheiratet und kinderlos. Er arbeitete als Privatunternehmer im IT-Bereich und beschäftigte zehn Mitarbeiter. Im Zusammenhang mit einer Ermittlung zu Kreditkartenbetrug war er einmal polizeilich aufgefallen, zu einem Prozess war es jedoch aus ungenanntem Grund nicht gekommen.
Tran Dinh Nam wohnte nördlich des Westsees an der Straße zum Flughafen. Ly wartete im Präsidium die schlimmste Mittagshitze ab, gegen drei Uhr fuhr er los. Die Straßen waren immer noch relativ leer. Fliegende Händlerinnen hockten am Straßenrand, die Reisstrohhüte über die Augen geschoben. An den Straßenecken lagendie xe-om -Fahrer auf den Satteln ihrer Motorräder und dösten. Ly fiel ein, dass er seine Frau immer noch nicht zurückgerufen hatte. Er hielt an und wählte ihre Nummer, aber sie nahm nicht ab.
Das Haus von Tran Dinh Nam lag in einer eingezäunten Neubausiedlung. Am Wärterhäuschen wies Ly sich als Polizist aus, ohne weiter zu erklären, was er wollte. Er folgte einer von Buchsbaumhecken gesäumten Straße, weit und breit war kein Mensch zu sehen. Alle paar Meter klemmten Sicherheitskameras an Laternenstangen. Auf einer Kreuzung spuckte ein steinerner Löwe Wasser. Ly hatte das Gefühl, durch eine Theaterkulisse zu fahren.
Das schmiedeeiserne Tor zu Tran Dinh Nams Haus, das mit seinen großen Fenstertüren und dem sandsteinfarbenen Anstrich wohl einer Kolonialvilla nachempfunden sein sollte, stand offen. Im Haus kläffte ein Hund. In der Kiesauffahrt standen ein Toyota-Geländewagen und der alte russische Jeep, dessentwegen Ly hier war. Er schaute durch die Scheiben. In keinem der beiden Wagen lag irgendetwas herum. Nicht einmal eine Wasserflasche.
Ein kleiner, untersetzter Mann öffnete die Tür. Das weiße Hemd spannte über seinem Bauch. Er trug eine Brille. Sein Gesicht war ohne klare Formen, die Haut glänzte fettig, das Haar war dünn. So stellte Ly sich einen chinesischen Buchhalter vor.
»Ich suche Herrn Tran Dinh Nam«, sagte Ly.
»Was wollen Sie von mir?«
Ly stutzte. Tran Dinh Nam sollte Mitte dreißig sein. Dieser Mann sah um einiges älter aus.
Mit dem Zeigefinger strich Ly über die Kühlerhaube des UAZ. »Frisch poliert?«
»Was wollen Sie?«, wiederholte der Mann seine Frage.
»Pham Van Ly, Kommissar, Kriminalpolizei. Ich muss Ihnen einige Routinefragen stellen.«
»Ach, Polizei. Kommen Sie doch rein«, sagte Tran Dinh Nam etwas höflicher. Er wirkte nicht im mindesten überrascht über einen Kriminalbeamten vor seiner Haustür. Er führte Ly durch einen Flur mit Marmorboden in ein geräumiges, westlich eingerichtetes Wohnzimmer. Es war durchgehend in Altrosa gehalten. Nur der überdimensionale Flachbildschirm und der Stereoturm glänzten in Chrom. Und die Drachenfrüchte, die in einer Schale auf dem Sofatisch standen, passten mit ihrem leuchtenden Pink nicht so recht zum Interieur.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Kommissar?«
»Sie haben meine Frage von eben noch nicht beantwortet.«
»Welche Frage?«
»Ob Ihr UAZ frisch poliert ist. Wann haben Sie ihn zuletzt gereinigt?«
»Heute«, rief eine
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