Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
Stimme aus dem Flur. »Mein Mann putzt sonntags immer die Wagen. Da ist er sehr genau.« Die Frau, die den Raum betrat, trug eine enge Jeans und ein goldfarbenes Oberteil. Ihre Füße steckten in Pumps mit hohem Absatz. Sie hielt Ly eine Hand mit langen, rot lackierten Fingernägeln entgegen. Vermutlich konnte man diese Frau als schön bezeichnen. Ly gefiel sie nicht.
»Der Herr ist von der Polizei«, sagte Tran Dinh Nam.
Die Frau schenkte Ly ein verkrampftes Lächeln. »Ich wollte gerade aufbrechen. Ich bin mit Freundinnen zum Tee im Metropole Hotel verabredet. Sehr zu empfehlen, mit einem ausgezeichneten Kuchenbuffet. Aber entschuldigenSie, das interessiert Sie sicherlich nicht. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Jasmintee? Whisky?«
»Dafür fehlt mir heute die Zeit. Danke«, sagte Ly. »Sie haben zwei Autos? Wer fährt die Wagen?«
»Sie gehören beide meinem Mann.«
»Meistens ist meine Frau mit dem Toyota unterwegs. Sie ist sowieso meistens unterwegs. Shoppen, Wellness, Teatime. Was Frauen eben so machen.«
»Ja. Natürlich. Was Frauen eben so machen.« Die meisten Frauen, die Ly kannte, arbeiteten, und zwar ziemlich hart. Er fühlte sich in der Gegenwart dieser beiden Menschen immer unwohler. Den Whisky hätte er trotzdem annehmen sollen, es wäre sicherlich ein guter gewesen.
»Wer fährt den russischen Jeep?«
»Diese alte Kiste rühre ich nicht an«, sagte die Frau sofort und machte ein Gesicht, als ginge es um Kakerlaken. »Den fährt mein Mann, wenn er überhaupt mal vor die Tür geht. Viel ist er nicht unterwegs. Er arbeitet von zu Hause aus. Im IT-Geschäft.«
»Sie haben zehn Angestellte. Kommen die alle hierher zum Arbeiten?«
»Bewahre«, sagte Tran Dinh Nam. Trotz Klimaanlage rannen ihm Schweißtropfen über das Gesicht. »Die arbeiten auch von zu Hause aus. Mit guten Internetverbindungen geht das.«
»Wann wurde der Jeep das letzte Mal fortbewegt?«, fragte Ly.
»Heute Vormittag. Ich war kurz im Supermarkt.«
»Und wo waren Sie in der Nacht von Freitag auf Samstag?«
Tran Dinh Nam schaute seine Frau an. »Zu Hause.«
»Ja, das stimmt«, sagte sie. »Wir waren beide hier.«
Ly wunderte sich, wieso keiner der beiden wissen wollte, weswegen er ihnen eigentlich diese Fragen stellte.
*
Ly war auf dem Rückweg in die Stadt, als Thuy anrief. Sie wollte sich vergewissern, dass es Huong gut ging, und fragte, ob Ly schon mit ihr gesprochen hatte. Dann erinnerte sie ihn daran, seiner Mutter regelmäßig den Blutdruck zu messen. Außerdem heirate übermorgen die Enkelin der alten Cuc. Mittags um zwölf sei ins Horizon Hotel geladen. Er sollte nicht vergessen vorbeizuschauen. Ein Hochzeitsbankett, als ob er nichts anderes zu tun hätte. Er würde Huong mit dem obligatorischen Geldumschlag vorbeischicken, und gut wäre es.
Wieso fragte Thuy ihn eigentlich mit keinem Wort, wie es ihm ging? »Ich melde mich später, ich kann gerade nicht«, sagte er, verärgert und enttäuscht. Ohne weitere Erklärung legte er auf.
*
Der letzte Name auf der Liste war Ngo Hien Phong. Lan hatte »Lotusbar« und eine Adresse in der Nähe der Deichstraße notiert – und den Hinweis: Akten derzeit nicht zugänglich. Ly wunderte sich nicht weiter. Es gab ohne Ende Akten, die nicht einfach so im Archiv herumlagen. Man musste sie schriftlich anfordern. Wichtige Parteimitglieder, hohe Staatsbeamte, all solche Leute wussten es zu verhindern, dass jeder beliebige Polizeibeamte in ihren Daten herumschnüffeln konnte.
In senkrecht angebrachten blauen Lettern blinkte »Lotusbar« an der Fassade des mehrstöckigen Neubaus. Die Tür stand offen. Eine strenge Mischung aus kaltem Zigarettenrauch und Alkohol schlug Ly entgegen. Erdnussschalen knirschten unter seinen Sohlen. Draußen war noch helllichter Tag, aber davon merkte man hier nichts. Der Raum war düster. Nur die bauchigen Schnapsflaschen auf der Theke waren von kleinen Strahlern angeleuchtet. Ein Mann schlief mit dem Kopf auf dem Tisch. Vor ihm standen die Reste seines Mittagessens und eine leere Flasche. Aus den Lautsprechern unter der Decke hauchte die Sängerin My Linh eine Endlosmelodie. Von irgendwoher tönte Karaokemusik.
»Guten Tag. Herzlich willkommen!« Das Mädchen, das ihn begrüßte, war mollig, hatte ein Doppelkinn und einen schiefen Schneidezahn. Ihr schmal geschnittenes, ärmelloses Kleid reichte kaum über ihren runden Po. Auf der rechten Brust des Kleidchens war »Carlsberg« eingestickt.
»Kann ich Ihnen schon etwas zu trinken servieren?
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