Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
ist. Aber ich weiß, wer die Tote vom Tempel war. Und Sie wissen es auch. Sie hieß Nguyen Thi Bich Sinh. Sie kam vom Fluss. So wie der tote Mann. So wie Sie.«
Wenn Sinh im Fluss gefischt hatte, dann war sie mit den Füßen gerudert, um die Hände für die Arbeit frei zu haben. Diese Art zu Rudern war weit verbreitet. Daher die dicke Hornhaut in den Fußsenken. Und es war der Teer, mit dem die Fischerboote abgedichtet wurden, der unter ihren Fingernägeln klebte. Wahrscheinlich, dachte Ly, waren kurz vor ihrem Tod auf dem Sampan, auf dem sie wohnte, Erdnüsse transportiert worden. Dr. Quang hatte gesagt, ihr Körper sei in Erdnussstaub gebadet gewesen.
Phan Duy Huys Augen ruhten auf Ly, schweiften kurz zum Fluss und kamen dann wieder zu ihm zurück. Seine Kiefermuskeln mahlten. Die Haut seiner Hand spannte sich weiß über den Knöcheln. Das Kind wehrte sich nicht gegen den festen Griff. Es sah Ly nur aus großen Augen an.
»Können Sie sich ein Motiv für die Tat vorstellen?«, fragte Ly.
»Verdammt, gehen Sie.«
»Die Ermordete hatte eine kleine Schwester, Hoa. Ich will wissen, ob es ihr gutgeht.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schien der Schiffer verunsichert. Seine Hände verkrampften sich noch mehr. Ly dachte schon, jetzt würde er mit ihm sprechen. Doch dann zischte er nur: »Hauen Sie endlich ab.«
*
Das eilig einberufene Treffen fand in Lys Büro statt. Lan brachte eine Kanne grünen Tee, Tassen, eine Schale mit kandierten Lotuskernen und Mungobohnenküchlein mit und stellte das Telefon in die Zentrale um. Sie sah wie immer blendend aus. Ly fragte sich, wie sie das machte. Sie arbeitete mindestens so viel wie alle anderen hier, war aber die Einzige, der man den Schlafmangel nicht ansah. Glatte Haut, wache Augen, rosa Wangen. Xuan hing in sich zusammengesunken auf dem Sofa, Dang lehnte mit halbgeschlossenen Augen neben ihm. Und Parteikommissar Hung, der sich auch in den zweiten Stock bemüht hatte, war blass wie immer. Sein eigenes Gesicht wollte Ly gar nicht sehen. Ruhelos tigerte er durch den Raum.
»Wo ist Ngoc?«, fragte er in die Runde.
»Der schafft es nicht rechtzeitig«, entschuldigte Lan ihn. Nicht ohne Genugtuung registrierte Ly die Kühle in ihrer Stimme, als es um seinen Schwager ging.
»Was ist mit den Fingerabdrücken dieser Nguyen Kim Thanh?«
Lan schüttelte den Kopf. »Die stimmen nicht mit denen vom Tatort überein.«
»Konntet ihr schon mehr über Hai Au in Erfahrung bringen?«
»Niemand sagt ein Wort gegen ihn. Das war ja auchnicht anders zu erwarten«, sagte Lan. »Aber allen unseren Informationen zufolge hat er mit Prostitution nie etwas zu tun gehabt. Wieso also jetzt?«
Ly gab ein unwirsches Geräusch von sich, wartete, bis er die Aufmerksamkeit aller hatte, und trug dann den Stand seiner Ermittlungen vor. Als er fertig war, sagte niemand etwas. Jeder schien für sich das Vorgetragene noch einmal zu durchdenken.
Letztendlich war es der Parteikommissar, der die Stille durchbrach. »Genosse Ly, Sie halten es also für wahrscheinlich, dass wir es mit einem Doppelmord an zwei Sampanschiffern zu tun haben?«
»Es sieht ganz danach aus«, sagte Ly und fügte hinzu: »Das Wichtigste ist jetzt aber, die Schwester der Toten zu finden. Hoa. Wir müssen davon ausgehen, dass sie in Gefahr ist. Wenn sie überhaupt noch lebt. Ngoc soll mit seinen Leuten alle einschlägigen Etablissements überprüfen, die schon mal mit minderjährigen Prostituierten aufgefallen sind. Alle Läden! Egal, wie viel Schmiergeld sie ihm gezahlt haben.«
»Ich verbitte mir solche Redensarten«, herrschte der Parteikommissar ihn an. »Wir sind hier in einem Polizeipräsidium, nicht in einer Gangsterhöhle. Niemand nimmt hier Gelder an, Genosse Ly.« Ein Raunen ging durch den Raum, aber keiner wagte laut zu sagen, was er dachte. Wie konnte man nur so ignorant sein?, fragte Ly sich. Innerlich kochte er, sagte aber so gleichgültig wie möglich: »Wir müssen alle Kräfte aktivieren. Wir brauchen jede nur erdenkliche Hilfe.« Als der Parteikommissar ihm nicht gleich wieder ins Wort fiel, wurde er konkreter. »Ich will, dass Hai Au überwacht wird. Wir stellen zwei Mann inZivil ab. Und wir müssen die Überwachung seines Telefons einleiten. Und du, Lan, versuchst bitte, etwas über die Tote und ihre Schwester herauszufinden. Heimatort, Geburtsurkunden. Überprüf die Melderegister. Klapper alle Behörden ab, die Krankenhäuser, was auch immer. Und such nach einer Verbindung zu dem toten Mann. Schick ein
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