Schwarze Schilde
Gemüter die Unverletzlichkeit der weißen Flagge vielleicht nicht ernst nehmen. Drittens wird er innerhalb einer Stunde tot sein – wozu also der Aufwand?«
»Was die Ehre betrifft: Er ist ein König, wenngleich nur ein Emporkömmling«, erwiderte Pashir. »Wir Könige tun gerne so, als seien wir, gemäß der Königswürde, alle gleich. Eine Gefahr besteht kaum. Wir sind beritten, sie sind zu Fuß. Außerdem lehrt mich meine Erfahrung, dass primitive Völker sich eher davor hüten, Tabus zu brechen, als zivilisierte Menschen. Was seinen Tod angeht: Ich muss ihm die Gelegenheit bieten, sich zu ergeben, und ein König ergibt sich selten jemandem, außer einem anderen König.«
»Ganz, wie Ihr wünscht, Hoheit«, sagte Krasha.
»Kann ich dich begleiten, Vater?«
Pashir sah seine Tochter an. Besser gesagt: Er betrachtete ihr Cabo. Es war das schnellste Tier aus den königlichen Stallungen und schien in bester Verfassung zu sein.
»Nun gut. Bleib aber hinter mir. Beobachte diesen Gasam und seine Gefährten. Auch wenn er getötet wird, haben diese Insulaner Festlandblut geleckt und unseren Reichtum kennen gelernt. Zweifellos werden wir sie heute nicht zum letzten Mal sehen. Choula, Ihr begleitet mich auch. Beobachtet sie ganz genau und teilt mir Eure Meinung mit, wenn wir in die Hauptstadt zurückkehren.«
Die kleine Gruppe ritt auf die Fremden zu; ein Soldat mit weißer Flagge eilte ihnen voraus. Die Wilden hatten ihre Schilde in den Boden gerammt, nur der Anführer trug keines. Sein langer Stahlspeer ruhte auf einem Unterarm, und er sah ihnen mit unverschämtem Grinsen entgegen. Die hinter ihm wartenden Shasinn lehnten sich in seltsamer Haltung auf ihre Waffen: Sie standen auf einem Bein und hatten die Fußsohle des anderen Beines gegen das Knie gestützt.
Der Wilde, der die Flagge trug, war ein untersetzter Mann mit buschigem schwarzen Haar, das unter dem seltsamen Helm hervorlugte, und gebräunter Haut. Die Shasinn sahen ganz anders aus. Ihre mit Faustnußöl eingeriebene Haut glänzte im Sonnenlicht, und das lange, bronzefarbene Haar hatte einen metallischen Schimmer. Bis auf den König trugen sie Federschmuck und Kriegsbemalung. Arme und Beine waren mit Armbändern und Ketten geschmückt, bunte Bänder hingen um ihre Hälse, und ihre Augen waren von einem erstaunlichen Blau. Sie wirkten ausgesprochen herablassend. Trotz der farbenfrohen Aufmachung hatte Pashir noch nie so gefährlich scheinende Krieger gesehen.
Als sie nur noch wenige Schritte voneinander entfernt waren, ergriff General Krasha das Wort. »Es ist Brauch, die weiße Flagge zu ehren. Sagt, was ihr zu sagen habt.« Er sah von oben herab auf die Wilden nieder und versuchte, sie in ihrer Überheblichkeit noch zu übertreffen.
Gasam warf dem General einen Blick zu und beachtete ihn nicht weiter. Lässig wandte er sich Pashir zu. »Ihr seid König Pashir, nicht wahr?«
»Der bin ich. Und Ihr seid König Gasam. Ich grüße Euch, aber alles, was die Schlacht betrifft, solltet Ihr mit General Krasha besprechen.«
»Ich habe Eurem Sklaven nichts zu sagen. Ich möchte von König zu König mit Euch reden.«
»Gut, gut«, antwortete Pashir. »Ihr habt uns Unannehmlichkeiten bereitet, aber wir sind bereit, Euch zu vergeben. Verlasst Floria, lasst unsere gefangenen Untertanen frei, gebt die geraubten Güter zurück und segelt wieder auf Eure Inseln. Wir versprechen, keine militärischen Schritte gegen Euch zu ergreifen und Euch nicht für den angerichteten Schaden zur Verantwortung zu ziehen. Wenn Ihr schwört, in den nächsten beiden Jahren von Überfällen auf Neva abzulassen, dürft Ihr einen Botschafter entsenden, damit wir Handelsbeziehungen aufnehmen.«
Während dieser Rede ging Gasam weiter und blieb vor Shazads Cabo stehen. Mit dem Handrücken strich er über die Stirn des Tieres, von den vergoldeten Hörnern bis hin zu den Nüstern. Das Cabo senkte den Kopf und schnaubte zufrieden. »Ein schönes Tier.« Er streichelte das Cabo, sah aber Shazad an. Seine Stimme war tief und volltönend. Shazad liefen Schauer über den Rücken.
»Das hat wohl kaum etwas mit unseren Verhandlungen zu tun«, bemerkte Pashir trocken.
Gasam wandte sich wieder dem König zu. »Wir verhandeln nicht.« Jetzt nahm seine Stimme einen stählernen Klang an. »Ihr könnt mir Euer Reich jetzt übergeben. Ihr dürft den Thron und Eure Ehre behalten, werdet aber als mein Vasall herrschen – als erster Festlandkönig. Ein zweites Angebot mache ich Euch nicht.«
»Hoheit!«
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