Schwarze Schilde
schickte einen Boten zu den Stallungen, um eines ihrer Cabos gesattelt zum Palast bringen zu lassen. Sie war nicht in der Stimmung, gemächlich durch die Straßen der Hauptstadt zu schlendern, sich durch enge Gassen zu drängen und fortwährend auf Unrat auszurutschen.
Die Sklavinnen entkleideten sie und tupften die kunstvoll aufgetragene Schminke ab. Vorsichtig entfernten sie die Perlenschnüre aus Shazads Haar und bürsteten es, bis es als wehende Mähne über ihre Schultern fiel, während sie in ihre Unterkleidung schlüpfte. Dann legte sie eine Tunika mit bauschigen Ärmeln, eine kurze Lederweste und kurze Hosen an. Zum Schluss setzte sie sich, und die Sklavinnen zogen ihr die hohen, bis an die Oberschenkel reichenden Lederstiefel an, die mit kunstvoll gearbeiteten Bändern an den Seiten verschnürt wurden.
»Ich wette, Königin Larissa muss das nicht alles über sich ergehen lassen«, murmelte sie Tiwala, ihrer Lieblingssklavin, zu. »Sie steht morgens auf, zieht einen Stoff-Fetzen an und ist fertig. Und man sagt, dass sie sich an manchen Tagen nicht einmal die Mühe macht, auch nur diesen Fetzen anzulegen.«
»Das gilt auch für Sklavinnen oder Frauen aus dem Volk«, erinnerte sie die Frau.
»Ja, aber Larissa ist eine Königin. Sie braucht keine Kleider, um ihren Rang zu betonen. Sie kleidet sich in ihre Schönheit, da die ganze Welt sie fürchtet. Jegliche Beleidigung wird mit dem Tod. geahndet, und alle ihre Wünsche werden sofort befolgt. Das ist wahres Herrschertum.«
»Diese Menschen sind Wilde, Herrin«, betonte die Sklavin, »nichts als aufständische Banditen. Sie sind keine wirklichen Herrscher.«
Shazad wusste es besser. Alle Königshäuser begannen als Banditen, Piraten oder Wild, die stark genug waren, zu erobern und standzuhalten. Erst viel später, wenn ihre Nachkommen zivilisiert wurden und sich nach Ansehen sehnten, arbeiteten die Priester ihre Stammbäume aus und führten sie auf die Götter zurück. Ganz sicher waren auch die Begründer des Königshauses von Neva ebenso primitive und starke Barbaren wie die Shasinn gewesen. Jedenfalls hoffte sie das.
Als ihr Cabo bereitstand, stürmte sie aus dem Palast, eilte die Stufen hinab, sprang in den Sattel und vertrieb die umherstehenden Diener mit der Reitpeitsche. Sie war nicht in der Stimmung, sich mit ihnen herumzuärgern. Die Menschen sprangen beiseite, als sie durch ein paar enge Gassen der Stadt trabte. Das Reiten und der Aufenthalt von Zugtieren waren in der Stadt – außer in den frühen Morgenstunden, wenn die Bauernkarren ihre Waren zum Markt brachten – verboten. Shazad beachtete dieses Gesetz ebenso wenig wie viele andere.
Sie ritt über den größten Platz von Kasin. Der Regen, den der Sturm mit sich gebracht hatte, tropfte noch immer von den Tempelfresken, und der Rauch der Mittagsopfer erhob sich in öligen Schwaden, die nach verbranntem Fleisch rochen. Priester und Bürger starrten mit offenem Mund hinter der Königstochter her, die über den Marktplatz galoppierte, ohne Rücksicht auf Menschen und Tiere zu nehmen.
Als Shazad den Hafen erreichte, wandte sie sich nach Norden, dem Marinehafen zu. An einem Pier erblickte sie eine Barke, die in größter Eile mit Faustnüssen beladen wurde, um zum Leuchtturm von Perwin gerudert zu werden, wo während der Segelzeit täglich mehrere Tonnen davon verbrannt wurden. Ansonsten herrschte Ruhe an den Docks; nur die kleinen Fischerboote waren dabei, ihren Fang abzuladen. Diese Boote liefen jeden Tag bei gutem Wetter aus und schafften es für gewöhnlich, bei den ersten Anzeichen eines Sturms zurück in den schützenden Hafen heimzukehren. Wurden sie jedoch von einem Unwetter überrascht, so hatten sie wasserdichte Planen an Bord, die schnell festgezurrt wurden und die Insassen den Sturm einigermaßen gesichert überstehen ließen.
Im Marinehafen herrschte reges Treiben. Shazad ritt an einer Reihe Lagerhäuser vorüber, wo überhebliche Beamte das Öffnen der versiegelten Türen überwachten. Schreiber standen mit Schriftrollen, Federn und Tinte bereit, um Bestandslisten zu erstellen. Aus Gebäuden, die schon früh am Morgen geöffnet worden waren, schleppten Sklaven riesige Taurollen, Töpfe mit Farbe und Teer und schwere Segeltuchballen heraus. Überall herrschte Verwirrung, und die Stimmung war gereizt. Es gab viel zu wenig Arbeiter, als sei es unmöglich gewesen, auf die Schnelle genügend Sklaven zu bekommen.
Shazad hielt an und sah sich um. Die Beamten hatten am Südende des
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