Schwarze Schilde
steinernen Möbel abzutrocknen und Kissen darauf zu verteilen, während Gärtner die Blumenkästen harkten und welke Blätter oder Pflanzen beseitigten, um die Augen der hochwohlgeborenen Damen nicht zu beleidigen. Dann trugen die Sklavinnen Tabletts mit Erfrischungen, Fächer, Sonnenblenden und Fliegenwedel nach draußen. Zum Schluss erschienen Shazad und ihre Begleiterinnen.
Die Prinzessin hatte Gewänder angelegt, die zu einem Nachmittag während der Sturmzeit passten. Sie trug perlgraue Hosen. Perlgrau war die Farbe des Sturmgottes. Das enganliegende Oberteil war blau mit weißen Streifen. Diese Farben schrieb ein uraltes Gesetz vor. Auch die Perlen, die auf ihre Pantoffel genäht waren und sich durch das schwarze Haar zogen, gehörten zur Kleidung einer Dame von Stand. Ihre vornehmen Begleiterinnen waren ähnlich gekleidet, und nur geringe Unterschiede – gemäß der Stellung und Herkunft – fielen auf.
Die Damen ließen sich auf den Marmorbänken und Stühlen nieder. Auf einem Balkon über ihren Häuptern erklang Harfen- und Flötenmusik. Die Frauen klatschten über die Vorgänge bei Hofe, sprachen über Liebeleien, Intrigen, Heirat und Verabredungen. Sie behielten die Prinzessin jedoch im Auge, um kein Zeichen und keine Bemerkung zu verpassen – doch Shazad wirkte nicht interessiert. In letzter Zeit war sie häufig geistesabwesend gewesen.
Die Prinzessin schob ein paar Süßigkeiten auf dem Teller hin und her, hatte aber wenig Appetit. Wenn sie es recht bedachte, hatte sie schon lange keinen Spaß mehr am Leben. Gewöhnlich hegte sie vielfältige Interessen. In der Vergangenheit hatte sie die vergnüglichen Nachmittage geliebt, wenn die Damen des Hofes intrigierten und Pläne schmiedeten. Morgens weilte sie bei ihren Cabos, und die Abende verbrachte sie mit dem Mann, der ihr gerade gut gefiel. Sie hatte als Priesterin wichtige Zeremonien in den offiziellen Tempeln zu überwachen, und die dunkle Seite ihres Wesens war durch die Teilnahme an den verbotenen Ritualen der schwarzen Kulte befriedigt worden. Einer Frau ihrer Stellung war nur wenig verboten, und sie war ihren Vergnügungen fast schon gedankenlos nachgegangen.
Inzwischen langweilten sie derartige Beschäftigungen. Sie hatte die wahre Macht kennen gelernt, und verglichen damit erschien ihr alles andere fade. Während der Schlacht, die beinahe das Schicksal eines Königreiches entschieden hätte, waren Männer nach hartem Kampf umgekommen. Neben diesem Anblick war alles Vorhergegangene verblasst. Außerdem wusste Shazad, dass ihr Verhalten nach der Katastrophe auf dem Schlachtfeld eine Katastrophe in der Hauptstadt verhindert hatte. Leider hatte ihr Vater sie seitdem kaum noch zu Rate gezogen, und das ärgerte sie.
Er war mit den Vorbereitungen auf den Krieg mit Gasam beschäftigt. Anfangs hatte er ihr gestattet, an einigen Versammlungen der Edelleute und Offiziere teilzunehmen. Dabei war ihr sofort aufgefallen, dass den Männern die Anwesenheit einer Frau missfiel; insbesondere, wenn es sich um eine Prinzessin handelte, die angeblich den verbotenen Ritualen frönte – obwohl niemand diese Einwände laut auszusprechen wagte. Ihr Vater schien sich eher auf die Unterstützung dieser Männer als auf die Hilfe seiner Tochter zu verlassen, denn er hatte sie nicht mehr zu den Versammlungen mitgenommen. Seit einigen Tagen hatte Shazad ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.
Der Briefwechsel mit Königin Larissa war zu einem spannenden Spiel geworden. Die Frau schien ungebildet und von einfacher Herkunft, aber was ihr an Erziehung und Manieren fehlte, machte sie durch bloße barbarische Kraft wieder wett. Genau wie Gasam, ihr Gemahl. In Wirklichkeit interessierte sich Shazad nur für ihn. Sie hatte nicht vergessen, welche Wirkung er auf sie gehabt hatte, als sie ihm während der Verhandlungen vor der Schlacht gegenüberstand. Manchmal glaubte sie, er habe sie mit einem Zauber belegt, so sehr stand sie in seinem Bann.
Früher war ihr Vater in ihren Augen so gewesen, wie ein König zu sein hatte. Er war stark, weise und – wenn es sein musste – auch skrupellos. Seiner Tochter gegenüber war er jedoch immer liebevoll und zärtlich gewesen, hatte allen anderen misstraut und sie nur mit Vorsicht genossen. Den Thron hatte er an sich gerissen, aber Shazad wusste, dass es zu Recht geschehen war. Der alte König war ein schwacher und unfähiger Mann gewesen, und nur ihr Vater war stark und geschickt genug, die Macht zu ergreifen und zu regieren. Als sie
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