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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Was sollen die wohl darstellen? Wir haben bei der Arbeit schon darüber diskutiert.« Er hielt das Bild vor sie hin.
    »Hast du Helens Zeichnung bei der Arbeit herumgezeigt? Ich finde, wir sollten das, was unsere Familie betrifft, für uns behalten.« In Pernillas Stimme schwang Enttäuschung mit.
    »Meine Kollegin Lena hat die Zeichnung zufällig gesehen. Ich habe sie ihr nicht gezeigt, sondern sie lag auf meinem Schreibtisch. Was meinst du?«
    »Sie sehen aus wie Engel.«
    »Ach, du meine Güte, Engel. Spürst du es auch manchmal auf dem Rücken jucken?«, meinte er lachend.
    »Engel ohne Flügel. Jemand hat ihnen die Flügel weggenommen, weil sie es nicht verdient haben, richtige Engel zu sein. Vielleicht sind sie Racheengel, die das Leben von Menschen auslöschen dürfen. Die Kerzen, die sie auslöschen, würden dann das Lebenslicht symbolisieren. Sie gehören nicht zur Gerichtsszene selbst, sondern agieren außerhalb des gesetzlichen Rahmens. Sie nehmen sich das Recht heraus, Leben auszulöschen.«
     
    Um die Mittagszeit kamen sie am Krankenhaus an, das ständig renoviert zu werden schien. Jetzt war es in einen weißen, staubigen Netzschleier eingewickelt, damit Zement und kleine Steine nicht auf die Besucher am Haupteingang herunterfielen. Sie betraten das Foyer, wo es immer noch ein wenig nach Farbe roch.
    Per Fahrstuhl gelangten sie in die Innere. Sie erkundigten sich am Empfang, in welchem Zimmer Folke Arvidsson wohl läge, und erfuhren, dass ein Arztgespräch geplant sei und man im Arztzimmer auf sie wartete. Die Miene der Schwester war sehr ernst. Arvidsson verspürte Unbehagen. Offensichtlich war Folkes Gesundheitszustand schlechter, als er bislang geglaubt hatte.
    Pernilla berührte seinen Arm. »Ich denke, es ist besser, wenn ich draußen warte. Ich mache einen Spaziergang unten im Park, dann könnt ihr ungestört reden. Ruf mich auf dem Handy an, wenn ihr fertig seid.«
    Sie fasste seinen Arm noch einmal etwas fester und ging dann, ohne seine Antwort abzuwarten.
    »Ich rufe dich an«, rief er ihr nach. Ohne sich umzudrehen streckte sie die Hand in die Luft, um zu zeigen, dass sie ihn gehört hatte.
     
    Folke saß mit einer gelben Decke auf den Knien in einem Rollstuhl. Seine Wangen waren eingefallen, und die Augen wirkten unnatürlich groß und schwarz in dem gelblich blassen Gesicht. Er lächelte seinem Sohn zu. Ein tapferes Lächeln. Per spürte, wie es unter den Augenlidern brannte. Seine Stimme klang rau und schwach, obwohl er doch alles unter Kontrolle haben wollte.
    »Hallo, Papa.« Er umarmte seinen Vater rasch und zwang die Gefühle zurück, die in ihm aufwallten. Ich liebe dich, Papa, hatte er eigentlich sagen wollen. Ach, wenn er die Worte doch nur über seine Lippen bekäme.
    »Was ist denn mit deinem Gesicht passiert, Junge?« Arvidsson fuhr sich mit beiden Händen über die Wangen, als wolle er nachfühlen. Er hatte in den letzten Stunden keinen Gedanken auf sein Aussehen verschwendet. Neben dem Rollstuhl stand ein Hocker bereit. Er setzte sich.
    »Das sieht schlimmer aus, als es ist. Mir hat einer ins Auge gepiekt. Das erzähl ich später.« Ein Tisch trennte Folke und ihn von den anderen Anwesenden, die sich nun vorstellten: ein Berater, die Schwester, ein ergrauter, ernster Arzt und ein jüngerer Medizinstudent. Völlig unmöglich, sich all die Namen zu merken. Die Situation fühlte sich so unwirklich an. Die große, wesentliche Frage erfüllte den Raum: Warum sind wir hier? Ist es, um ein Todesurteil entgegenzunehmen? Wenn es so ist, dann sagt es! Sagt es gleich, damit wir es wissen. Warum dieses förmliche Abwarten? Gibt es noch Hoffnung? Was wollt ihr tun?
    »Kaffee?« Erst jetzt bemerkte er, dass der Tisch mit blauweißem Porzellan eingedeckt war. Die kleine Blume, die schön gedeckte Platte und die brennenden Kerzen waren kleine Hinweise auf Fürsorglichkeit in dem ansonsten ungemütlichen Raum, in dem sie saßen. Er nickte.
    Als der Arzt von den Untersuchungen und den Ergebnissen zu sprechen begann, umfasste Arvidsson die mageren Hände seines Vaters und spürte, wie sich deren Kälte über seine eigene Haut durch seinen ganzen Körper fortsetzte. Lungenkrebs. Beide Lungenflügel. Die Schmerzen ließen sich lindern, aber der Krebs sei nicht zu heilen. Die Stimmen kamen und gingen. Wie viel Zeit ihm noch bliebe? Das wisse man nicht. So etwas könne man nicht genau sagen. Jahre? Nein. Ein Jahr? Kaum. Ein halbes Jahr? Nicht anzunehmen.
    »Ein paar Monate, würde ich sagen. Aber das

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