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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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von dir zu sehen«, sagte sie.
    Per lachte. »Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so verliebt und glücklich gewesen. Und habe noch nie so viel Angst gehabt, dass es enden könnte. Es ist immer so was wie ein Vorbehalt da – es ist zu schön, um wahr zu sein. Wenn man sein Glück auslebt, dann werden die Götter eifersüchtig und nehmen Rache.«
    Pernilla blieb stehen, bis er aufgeschlossen hatte, und strich sich die verschwitzten Haare aus der Stirn. Eine witzige kleine Falte schlich sich über die Nasenwurzel.
    »Wie viel älter ist sie als du? Das grenzt ja schon fast an Kindesentführung, Per. Aber vielleicht ist das ja eine gut durchdachte Investition. Frauen leben länger als Männer, deshalb sollte man sich als Frau einen jüngeren Mann suchen. Als Ärztin weiß sie sicher, was sie tut. Hat sie dich schon gefragt, welche Erbkrankheiten es in der Verwandtschaft gibt?«
    »Sie ist genau ein Jahr jünger als du. Wollen wir nicht bald mal eine Kaffeepause machen?«
    »Was bist du gierig! Wir essen, wenn wir am Wolfskessel sind. Das ist das Ziel. Da gibt es vielleicht ein belegtes Brot oder zwei. Ich kann auch eine Scheibe Wurst auf einen Stock spießen und dich damit locken, wenn du willst. Weißt du …« Pernilla unterbrach sich mitten im Satz. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht, was du wohl von mir denken würdest und ob du enttäuscht sein würdest. Es ist ja nicht gesagt, dass man einander mag, nur weil man Bruder und Schwester ist. Ich freue mich so über dich, ich bin so froh, dass du gekommen bist. Es ist, als hätte ich mein ganzes Leben auf dich gewartet.«
    »Ich auch.« Per legte den Arm um sie und hielt das Gesicht in die Sonne. Das Leben war wunderbar. Völlig hingerissen lauschte er den Vogelstimmen. Der Ruf einer Waldtaube und etwas weiter entfernt die Trommelwirbel eines Spechts. Auf dem Schild am Beginn des Weges stand, dass es auch Raufußkäuzchen in der Gegend gebe. Nach dem nächtlichen Regen sanken ihre Schritte tief in den moosigen Untergrund ein, die Steine waren verräterisch glatt, als sie den Bach überquerten. Pernilla rutschte aus und schlug sich das Knie an. Es war nicht schlimm, aber sie blieben doch eine Weile in der Hocke sitzen und betrachteten die Schönheit um sie herum, die Birkenblätter, die von den Bäumen gefallen und wie runde Goldstücke auf den Boden des Bachs gesunken waren.
    Der Berg stieg rechts und links der Schlucht fast lotrecht nach oben. Die Wand war in jahrhundertealtes, unberührtes Moos gekleidet. Von dort oben hatten sich abgestorbene Bäume in einer Art kollektivem Selbstmord den Abhang hinuntergestürzt und lagen jetzt wie ein Mikadospiel aus leblosem Holz da.
    Die Wurzeln der Bäume waren wie Schlingpflanzen, und Tannenzweige schlugen ihnen in die Gesichter. Der Atem stand ihnen wie weißer Rauch vor den Mündern, als sie endlich den Wolfskessel erreichten, einen zweigeteilten Wasserfall. Sie ließen sich auf dem Felsen mitten zwischen den Wasserfällen nieder. Die Sonne spielte durch die Äste der Bäume. Der weiße Wasserschaum lag wie Zuckerwatte an den Außenrändern des Falls. Pernilla holte Kaffee und Brote heraus.
    »Koffeinfrei«, sagte sie. »Seit du hier bist, beginne ich mich an Sachen aus meiner frühen Kindheit zu erinnern. Kleinigkeiten, von denen ich gar nichts mehr wusste. Als ich acht Jahre alt war, sind wir nach Örebro gezogen. Und einmal, kurz bevor entschieden wurde, dass ich zu meiner neuen Pflegefamilie sollte, sah ich dich auf einem Spielplatz. Du hast zusammen mit einem kleinen Mädchen mit Rattenschwänzen und einem hellblauen Kleid auf einer Schaukel gesessen. Du hattest eine bunte Kappe auf, mit einem kleinen Propeller obendrauf.«
    »An die Kappe kann ich mich erinnern. Folke hatte sie mir in Frankfurt gekauft.«
    »Ich war so glücklich, dich zu sehen. Du warst mein kleiner Bruder, gehörtest nur mir, und niemand durfte dich mir wegnehmen. Ich rannte los, rutschte aber auf dem Asphalt aus und schürfte mir die Knie und das Kinn auf. Als ich wieder aufstehen wollte, stand deine Adoptivmutter da. Sie packte mich hart am Arm und sagte, dass ich dich in Ruhe lassen solle. Ich schrie wie verrückt, aber du hast mich nicht gesehen. Du hast einfach immer weiter mit dem Mädchen geschaukelt und gelacht, und ich hasste sie und deine Mutter derart, dass ich sie auf der Stelle hätte umbringen können. Dann hat deine Mutter dich ins Auto geschoben. Ich rannte hinterher. Rannte so lange ich konnte neben dem Auto her und versuchte,

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