Schwarze Schmetterlinge
haben Sie nie von mir gehört. Lovisa Bjerhov. Sie sind zu jung. Frank und ich haben uns über die Musik kennengelernt. Er war ein großer Musikliebhaber.«
»Hatte Franks Tochter denn auch etwas zu erzählen?«, fragte Lena neugierig.
»Ich war bei dem Verhör mit ihr nicht dabei. Stensson wollte das selbst machen. Ich habe sie kurz gesehen, als sie vorbeiging. Sie ähnelt ihrer Mutter, etwas ätherisch und verträumt. Aber der Schein trügt. Sie ist Ärztin, wie ihr Vater. In ausländischen Internaten erzogen. Spricht mindestens fünf Sprachen fließend und ist eine erfolgreiche Fechterin. Bronze bei der Weltmeisterschaft, hat Stensson gesagt.«
»Dann ist klar, dass er sie allein verhören wollte. Bestimmt ist sie jung und hübsch«, sagte Lena und zuckte die Schultern. Arvidsson ließ diese Behauptung unkommentiert.
Sie gingen zusammen zum Konferenzraum, wo einer der Videofilme vom Brand in der Notaufnahme gezeigt wurde. Ein Kollege hatte ihn gedreht. Es war interessant, den Verlauf des Geschehens aus einer anderen Perspektive zu sehen. Die Volksmenge vor dem Krankenhaus. Eine Krankenschwester mit einer Liste in der Hand hakt die Patienten ab und lässt sich die Namen von Angehörigen sagen, die mit in der Notaufnahme waren. Eine schwer verletzte Frau wird auf einer Trage hereingefahren. Ein weißer Kittel flattert vorbei und verschwindet wieder aus dem Blick der Kamera. Ein neues Bild von der Seite. Ein Gesicht hinter dem Kaffeeautomaten. Felicia. Sie war nicht von Anfang an vor Ort gewesen, davon war er überzeugt. Wahrscheinlich war sie zu einer späteren Schicht gerufen worden.
Um 14.25 Uhr ging ein Alarm ein. Lena hörte mit verärgerter Miene zu und fluchte dann laut: »Verdammte Scheiße, jetzt müssen wir Überstunden machen!«
Die Zentrale hatte einen Anruf aus dem neu eröffneten Schmuckgeschäft in der Köpmangatan erhalten. Zwei Männer hatten dort Goldringe verkaufen wollen, und der Juwelier wollte sichergehen, dass es sich nicht um Diebesgut handelte. Nachdem man die Schmuckstücke beim Warenregister und dem Diebstahlregister eingegeben hatte, erhielt man einen Treffer, der schnell auf einen Einbruch in ein Einfamilienhaus in Fjugesta vor ungefähr vier Monaten hinwies. Nach Aussage des Ladenbesitzers befanden sich die Männer immer noch im Geschäft.
Arvidsson und Ohlsson begaben sich schleunigst in die Garage, um mit der Streife dorthin zu fahren. Lena setzte sich ans Steuer und jammerte pausenlos, weil sie am nächsten Tag einen Arzttermin mit Paula hatte: »Was soll ich bloß mit ihr machen? Wenn der Arzt doch nach Hause kommen würde, dann wäre alles viel einfacher. Ich kann sie ja nicht hintragen. Und dann der Mist mit dem Sozialamt. Wenn sie den Termin verpasst, kriegt sie kein Geld mehr. Die kapieren aber auch gar nicht, wie Paula funktioniert. Man müsste eigentlich immer dabei sein und alles erklären …«
Arvidsson wartete schweigend und konzentrierte sich auf den Einsatz, der ihnen bevorstand.
»Und vielen Dank auch, dass du so aufmerksam zuhörst, Mann!«
»Können wir die privaten Sachen bitte später besprechen? Halt an und dreh um! Hörst du nicht, was ich sage? Dreh um! Hast du nicht gesehen, dass sie aus dem Juwelierladen rausgerannt sind? Da, zum Auto auf der anderen Straßenseite! Dreh um!«
Arvidsson schaltete das Martinshorn ein. Lena sah sich nach einem Platz um, wo sie wenden könnte. Vor ihnen geriet ein roter Audi ins Schleudern. Lena bremste. Sie waren noch nicht ganz zum Stehen gekommen, da war Arvidsson schon aus dem Wagen und am anderen Auto. Er zog den Fahrer heraus, riss ihm die Arme hoch, warf ihn über die Motorhaube und legte ihm Handschellen an. Die beiden Männer auf dem Rücksitz waren im Nu aus dem Wagen. Arvidsson schrie nach Lena. Erst da wandte sie den Kopf und stieg aus. Sie zuckte mit den Schultern. Die Männer waren schon zu weit weg, als dass es Sinn gehabt hätte, ihnen zu folgen. Arvidsson fluchte laut. Wenn sie nicht so verdammt träge gewesen wäre, dann hätte sie die beiden wenigstens bei einer späteren Gegenüberstellung identifizieren können. Ihre Gleichgültigkeit brachte ihn aus seiner gewohnten Ruhe.
»Da hätte mir mein Nachbar mit dem Rollator mehr geholfen als du! Wir nehmen den Typen mit.« Lena stand mit hängenden Armen vor ihm. Der Fahrer entdeckte seine Chance auf eine Verteidigungsrede.
»Was denn, was denn, ich sollte sie doch nur zur Pizzeria fahren, Mann. Ich kenne die gar nicht.« Der hochgewachsene,
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