Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
Vom Netzwerk:
streckte die Arme nach Felicias Körper aus. Sie schlief mit den Kleidern am Leib. Er hörte ihre ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge. Erst verspürte er eine große Erleichterung, dann überfielen ihn die unwillkommenen Gedanken. Pernillas Stimme. Frag sie, wo sie gewesen ist, weck sie auf, und nagle sie fest. So kann sie dich doch nicht behandeln. Er war jetzt ganz wach, hellwach. Das Gespräch mit Folke am Abend zuvor drehte sich wie ein scharfkantiger und zackiger Stein im Bauch hin und her. Verzweifelt robbte er an Felicias warmen Körper heran. Sie befreite sich von ihm, rutschte zum Rand hin.
    »Ich mag jetzt nicht.«
    Der Gestank war auch in ihrem Haar und dem weißen T-Shirt. Der Geruch von einem anderen Mann. Per stand auf und setzte sich an den Küchentisch. Dort blieb er sitzen, bis der Wecker um halb fünf klingelte. Felicia sah ihn verschlafen an, als er ihn ausschaltete.
    »Wo warst du gestern?« Er setzte sich ans Fußende des Bettes und rüttelte an ihren Beinen, bis sie sich bewegte.
    »Warum klingelt denn der Wecker? Ist heute nicht Samstag?«, fragte sie und versuchte, sich aus der Decke zu winden, die sich um ihren Körper gewickelt hatte.
    »Wo warst du? Was ist passiert?« Er schloss die Augen und merkte, dass er den Atem anhielt, während er auf die Antwort wartete.
    »Was für eine Schicht, ich sag’s dir! Es war wie im Krieg. Wir haben sieben Patienten reingekriegt, von denen einer mit einem allergischen Schock in der Notaufnahme gestorben ist. Eine junge Frau. Ich hatte vorgehabt, früher zu gehen, aber es ging einfach nicht.«
    »Na ja, selbst wenn du nicht schon ab Mittag freinehmen konntest, dann hättest du doch spätestens um halb fünf Schluss gehabt.«
    »Ja, aber ich konnte nicht mal zur normalen Zeit gehen. Als ich gegen sieben langsam fertig war und die letzten Dinge diktieren wollte, da kam eine von den Krankenschwestern und sagte, der Mann wolle seine tote Frau nicht hergeben. Verstorbene Patienten dürfen vier Stunden auf Station liegen, dann müssen sie in den Kühlraum gebracht werden. Es klingt furchtbar zynisch, aber wir brauchten das Zimmer. Wir mussten noch mehr Patienten unterbringen, und der Platz reichte nicht. Ich habe zwei Leute nach Hause geschickt, obwohl die eigentlich ein Bett gebraucht hätten. Der Mann war völlig blockiert. Ich habe von sieben Uhr abends bis um Viertel nach drei in der Nacht bei ihm gesessen, habe ihn im Arm gehalten wie ein Kind und ihn getröstet. Habe mit ihm geredet, bis er loslassen und sie gehen lassen konnte. Der Todesfall war für ihn so plötzlich gekommen. Das war ein Schock für ihn. Er brauchte Zeit, um herauszubekommen, was vorher passiert war, um ihren Körper loslassen zu können. Ich bin so schrecklich müde, Per, Warum hast du den Wecker gestellt?«
    »Ich muss nach Kronviken.« Er kroch zu ihr, legte seinen Kopf auf ihren Bauch und erzählte. Sie strich ihm über das Haar. Wiegte ihn und ließ ihn weinen.
    »Ich komme mit dir. Ich kann im Auto schlafen. Wenn du willst, dass ich mitkomme.« Sie sah ihm in die Augen, und er blinzelte. »Eigentlich wollte ich dich mit zwei Tickets nach Rom überraschen«, sagte sie. »Eine fünftägige Reise. Das sollte ein verspätetes Geburtstagsgeschenk sein. Das machen wir, wenn es besser passt.«
    »Ich liebe dich, Felicia.«
    »Ich liebe dich auch. Hast du dir Sorgen gemacht?«
    »Und wie.«

24
    Per Arvidsson hatte die Umgebung im Krankenhaus noch nie als erschreckend empfunden. Doch jetzt nahm er die Menschen um sich herum mit einer anderen Schärfe wahr. Er bemerkte die magere Frau, die am Eingang in ihrem Rollstuhl saß und rauchte, daneben einen weißhaarigen Mann in blauer Krankenhauskleidung, der sich auf das Gestell seines Tropfs stützte. Wie sah ihr Alltag aus? Ein Junge mit verdrehtem Körper saß in einem Elektrorollstuhl. Wie stand es um seine Möglichkeiten, ein normales Leben zu führen? Hinter ihnen im Fahrstuhl stand eine erschöpfte Mutter, die ein laut schreiendes Mädchen im Arm hielt. Das heisere und herzzerreißende Schreien füllte den engen Raum aus.
    Felicia nahm seine Hand, sie war kalt und feucht. Als die Frau und das Kind auf der Kinderstation ausstiegen, sah sie ihnen nach, so lange es ging. Per und Felicia gingen den kahlen, grün gestrichenen Flur zum Empfang hinunter. Die Krankenschwester sagte ihnen, dass Folke in ein Einzelzimmer verlegt worden sei. In einem Stadium, in dem jede Veränderung nur zum Schlechten geschehen kann, bestätigte sie nur, was

Weitere Kostenlose Bücher