Schwarze Schmetterlinge
nicht.«
Sie gingen den ganzen langen Weg zum Hotel zu Fuß. Als sie ankamen, hatte Felicia Blasen an den Füßen. Es erstaunte Per, dass sie sich mit solchen Absätzen überhaupt fortbewegen konnte, aber das war offensichtlich eine Sache der Gewöhnung. Er wusch ihr die Füße, küsste jeden Zeh und verpflasterte die Wunden. Als er in ihr Gesicht sah, schloss sie die Augen, um zu verbergen, dass sie weinte.
»Was ist denn, Felicia?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht darüber reden. Ich schaffe es nicht.«
»Was meinst du denn?«
»Es ist schwarz und leer in mir. Ich habe solche Angst, wenn ich nichts fühle. Ich kann es dir nicht erklären. Ich finde mich selbst nicht.«
»Du meinst, du zweifelst daran, ob du mich liebst?« Es erstaunte ihn selbst, dass er es wagte, diese Frage so direkt zu stellen.
»Du hast vorhin gesagt, dass dir die Wahrheit so wichtig sei. Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählen würde, dass ich gelogen habe? Unsere Beziehung basiert auf der Illusion, die du von mir hast, nicht auf der Wirklichkeit.«
»Dann solltest du mich mal von diesem Trugbild befreien.« Er ließ ihren Fuß los und machte einen Schritt zurück. Unmerklich spannte er jeden Muskel in seinem Körper zu einem Panzer der Unverwundbarkeit an und wartete auf das, was kommen würde.
»Erinnerst du dich an die Nacht, als ich weg war und gesagt habe, dass ich mich um einen Mann in der Notaufnahme gekümmert habe, der seine tote Frau nicht loslassen wollte?«
»Ich habe mir Sorgen gemacht, das wirst du doch verstehen. Du hast ja nicht mal angerufen.«
Felicia kroch zu ihm aufs Bett, nahm seine Arme und legte sie um sich, als wollte sie sich vor der unangenehmen Wahrheit schützen, die jetzt kommen würde.
»Das war nicht die ganze Wahrheit. Das, was ich dir erzählt habe, ist zwar geschehen, aber nicht an dem Abend, sondern vor mehreren Jahren. In der Nacht als ich nicht nach Hause kam, ist etwas anderes passiert. Als wir uns kennengelernt haben, gab es einen Mann … eine lockere Verbindung. Ich musste an dem Abend allein sein und nachdenken und habe mich für dich entschieden.«
»Wo warst du denn, wenn du nicht bei der Arbeit warst?«
»In meiner Wohnung. Ich habe ihn gebeten, dorthin zu kommen. Um Schluss zu machen.«
»Aber du bist doch fast die ganze Nacht geblieben. Habt ihr miteinander geschlafen?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Habt ihr miteinander geschlafen?«, fragte er.
»Das hat nichts mit der Sache zu tun.«
»Doch, für mich schon.«
»Na gut, es ist eben passiert. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich ihm das schuldig. Er war so traurig. Ich habe ihn ein letztes Mal getröstet. Bist du jetzt böse auf mich?«
»Nein, ich bin nur verwirrt. Es wird eine Weile dauern, bis ich das verarbeitet habe. Ich dachte, wir wären zusammen und es gäbe nur uns.«
»Das ist doch so. Liebst du mich trotzdem?«
»Ja, natürlich. Aber ich bin irgendwie traurig.«
Sie wollte ihn unbedingt in der Dunkelheit ausziehen. Er hätte so gern die Kerzen auf dem Tisch angezündet, aber sie hinderte ihn daran.
»Warum darf ich dich nicht ansehen, Felicia?«
»Wenn Hängebrüste einen Sinn haben und ich herausbekommen habe, welchen, dann darfst du sie sehen«, sagte sie etwas betrunken.
»Ich liebe deine Brüste und deinen Bauch und deine Oberschenkel. Was ist denn dabei, das Licht anzumachen?«
Hinterher, als sie eingeschlafen war, ging er zum Fenster und zog die Jalousie hoch. Ein schwaches Licht fiel über Felicias Körper. Sie hatte die Decke abgeschüttelt. Das dunkle Haar lag über das Kissen ausgebreitet. Ihre Haut leuchtete im Schein der Neonleuchten von der gegenüberliegenden Straßenseite erstaunlich hellgrün, beinahe durchsichtig. Per machte die Jalousie noch etwas mehr hoch und betrachtete sie. Wie schön sie war. Was wollte sie denn verbergen? Immer versteckte sie ihren Körper entweder in der Dunkelheit oder mit einem Laken oder indem sie ihn mit einem Duschhandtuch umwickelte.
Ihre Brüste waren voll und immer noch fest. Oder war es etwas mit dem Bauch? Obwohl sie den einen Arm über den Bauch hielt, konnte er die hellrosa Risse sehen, die in lotrechten Linien quer über dem Nabel verliefen. Hatte sie ein Kind geboren … ohne ihm davon zu erzählen? Gab es ein Kind von ihr? Das vielleicht bei dem Vater lebte? Oder hatte sie ein Kind verloren? Was wusste er eigentlich von ihr und von ihrem Leben, bevor sie sich kennengelernt hatten? Irgendetwas hielt ihn davon ab zu fragen. Eine
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