Schwarze Schmetterlinge
Kronviken erregte seine Aufmerksamkeit. Zwei Hauptnachrichten teilten sich die Titelseite: der Mord an einer jungen Frau in Kronviken, deren Leiche auf einem Rastplatz südlich der Stadt gefunden worden war, und ganz unten Ehefrau und Tochter von Frank Leander beim letzten Abschied vom geliebten Mann und Vater. Felicia nahm ihm die Zeitung aus den Händen und stopfte sie in ihre Handtasche.
»Jetzt nicht, du hast frei!«
Als sie aus dem Flugzeug stiegen, wurden sie von der Wärme auf dem Flugplatz umfangen. Auf dem Weg zum Hotel nahm Per Felicias runde Wangen in seine Hände und küsste sie. Was ein kurzer impulsiver Kuss hatte sein sollen, dauerte dann den ganzen Weg nach Rom, bis Felicia sich ihm kichernd entzog und auf das konsternierte Gesicht des Taxifahrers im Rückspiegel wies. Als sie den Reisestaub abgeduscht und in dem großen und viel zu weichen Bett mit besorgniserregend knarrenden Federn miteinander geschlafen hatten, gingen sie in die Stadt, um etwas zu essen.
Felicia bahnte ihnen mit großer Autorität den Weg durch den römischen Straßenverkehr bis zum Pantheon-Viertel. »Ich habe ein Lieblingsrestaurant in der Via dei Pastini«, verriet sie ihm.
Gemeinsam spazierten sie durch enge Gässchen zum Campo dei Fiori mit seinen Ständen voller Melonen, Äpfel, Tomaten, Trauben und bunten Herbstblumen. Das Leben fühlte sich so intensiv an. Er liebte Felicia zweifellos und ohne Vorbehalte, konnte es einfach nicht lassen, sie ständig zu berühren, ihre Hände zu streicheln, mit den Lippen ihr Haar und ihre Stirn zu liebkosen.
Bei Antonio bestellten sie eine Flasche Frascati und Antipasti aus Pilzen, Schafskäse, Artischockenherzen und eingelegten Bohnen. Der Abend war dunkel und lau. Obwohl es Spätherbst war, beschlossen sie, draußen zu sitzen. Schick gekleidete Menschen spazierten lärmend vorbei. Ein junger Mann sauste auf einer Vespa vorüber, vor ihm hing ein kleiner Junge über dem Lenker, und eine schwarz gekleidete Oma saß rittlings hinter ihm, die mageren Arme fest um seine Taille geschlungen.
Felicia bestellte noch mehr Wein und Kalbsbraten mit Salbei, während sie mit dem Kellner auf Italienisch scherzte. Per sah ein wenig erstaunt aus.
»Ich habe mal in Rom gewohnt«, erklärte sie. »Als ich noch jung und zumindest an manchen Stellen ungeküsst war. Ich habe Italienisch studiert, war sehr arm und schrecklich einsam.« Sie nahm einen großen Schluck Wein und sah ihn an. »Wie lange werde ich dich bei mir haben dürfen?«
»Solange du magst. Wenn du willst, für immer.« Und das meinte er auch so.
Ein magerer Mann in zerrissenen Kleidern mit einer Ziehharmonika näherte sich. Die Melodie schwappte zu ihnen herein, zerhackt und etwas aus dem Takt. Arvidsson senkte in einem diskreten Versuch, sich die Ohren zuzuhalten, den Kopf zwischen die Hände. Doch an der Spielfreude des Mannes war nichts auszusetzen. Er war eins mit seiner Musik, so schlimm sie auch klang. Eine Frau mittleren Alters ging von Tisch zu Tisch und murmelte denselben eintönig traurigen Spruch, von dem Per nur das Wort »operazione« identifizieren konnte. Schließlich blieb sie direkt vor Felicia stehen und lächelte mit schlecht sanierten Zähnen. Felicia grub in ihrer Handtasche und holte ihr Portemonnaie heraus. Wortlos legte sie einen Hunderteuroschein in die schmutzige Hand der Frau. Per versuchte, Felicias Aufmerksamkeit zu fangen. Hatte sie den falschen Schein genommen? Offenbar nicht. Sie umfasste die Hand der Frau, schloss sie um den Schein und nickte. Die Frau bekreuzigte sich in einem fließenden Strom von Segenswünschen und zog sich dann mit ausladenden Gesten in die Dunkelheit zurück.
Felicia leerte ihr Glas in einem Zug und füllte es erneut bis zum Rand. Zu seinem Erstaunen sah Per, dass sie weinte. Ganz still, mit offenen Augen. Per folgte ihrem Blick. Ein kleines Mädchen im Alter von vier Jahren, mit langem, dunklem Haar und großen schwarzen Augen stand mit einer mageren Katze unter der Straßenlaterne. Sie packte den Rock der Frau, als sie vorbeilief. Zusammen wurden sie von der Nacht verschluckt.
»Weinst du?« Er nahm eine Serviette und reichte sie ihr. Versuchte aufmunternd zu lächeln und sah gleich ein, wie dumm das war. Warum meinte man immer, alle Anzeichen für Verzweiflung schnell wegwischen zu müssen, den Tränenstrom stoppen zu müssen? Hatten traurige Gefühle nicht auch ihre Zeit und ihren Raum? »Magst du erzählen, was du denkst?«
Felicia schüttelte den Kopf. »Jetzt
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