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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
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ihn. Ihre Haare berührten seine Brust. »Gehen
wir nach unten?« fragte sie leise.
     
    Es war gar nicht so leicht, bei der Polizei in Torremolinos eine
Vermißtenanzeige aufzugeben. Als Marions Eltern in dem flachen
weißen Gebäude mitten in der Stadt ankamen, standen sie
als erstes vor einem Schild, das sie aufforderte, sich für eine
Anzeige eines Dolmetschers zu bedienen. »Ja, verdammt, sprechen
die denn kein Englisch?« fragte Herr Rönsch entnervt. Er
glühte vor Hitze. Seine Frau musterte ihn ironisch. »Sprichst du
denn Englisch?« erkundigte sie sich spitz.
    Sie kehrten ins Hotel zurück und fanden nach einigem Hin und
Her einen Hotelboy, der genug Deutsch sprach, um als Übersetzer
fungieren zu können. Herr Rönsch mußte mit dem Hotelmanager
verhandeln, damit der den Jungen für eine Stunde von der
Arbeit freistellte. Zu dritt fuhren sie ein zweites Mal per Taxi zur
Polizeiwache. Herr Rönsch wischte sich ständig mit einem Taschentuch über die Stirn, während Felipe, der Boy, ohne Punkt
und Komma quasselte. Er genoß dieses kriminalistische Zwischenspiel.
Endlich einmal etwas anderes, als den Gästen die
Koffer zu tragen. Er kam sich sehr wichtig vor. Dem Beamten,
der hinter dem Schalter in dem hellen, weißgetünchten Raum
saß, schilderte er gestenreich und mit vielen Worten den Fall. Hin
und wieder fragte der Beamte mit scharfer Stimme dazwischen,
schaute zu Marions Eltern hin und schüttelte den Kopf. Herr
Rönsch zog seine Brieftasche heraus, öffnete sie und entnahm ihr
eine Photographie seiner Tochter. »Hier, Felipe. Das ist sie. Das
ist meine Marion. Gib das dem Beamten.«
    Felipe reichte das Bild weiter. Der Polizist betrachtete es. Er
wirkte ausgesprochen genervt. Es war ein heißer Tag, noch
heißer als alle Tage zuvor; er hatte das Gefühl, als klebten ihm
seine Sachen am Körper, außerdem war er noch ein wenig verkatert
vom Abend zuvor. Und nun stand dieses hysterische Elternpaar
vor ihm – deutsche Urlauber, die mochte er ganz besonders.
Laut waren sie, mit großen Ansprüchen, wehe das Steak in der
Fremde schmeckte anders als das daheim – ja, die standen nun
also vor ihm und verlangten, er solle auf der Stelle ihre verschwundene
Tochter aus dem Boden stampfen, dieses blonde
Miststück, das auf dem mitgebrachten Photo so unheimlich sexy
aussah, daß man sich schon vorstellen konnte, was mit ihm
passiert war. Mit irgendwelchen Kerlen hatte sie sich natürlich
eingelassen, und wahrscheinlich genoß sie gerade in vollen Zügen
die Liebe und das Leben. Er wandte sich an Felipe. »Sag ihnen,
daß das hier öfter vorkommt. Die jungen Mädchen sind für ein,
zwei Tage verschollen, dann kehren sie plötzlich zurück,
quietschvergnügt und um ein paar Erfahrungen reicher. Damit
muß man leben!« Felipe übersetzte. Herr Rönsch bekam große
Augen. »Was will er denn damit sagen?« fragte er alarmiert.
    Felipe gab die Frage weiter. Der Polizist seufzte tief. Er fürchtete,
daß ihn diese Leute so lange belagern würden, bis das blonde
Gift wieder aufgetaucht war.
    »Sag ihnen, wenn wir hier nach jedem jungen Mädchen suchen
würden, das mal gerade eben abhaut, dann hätten wir jeden Tag
vierundzwanzig Stunden lang Dienst und kämen trotzdem zu
nichts. Mein Gott, diese Mädchen sind jung und meistens sehr
attraktiv, und es laufen hier genügend reiche Kerle herum, die
bereit sind, für ein paar schöne Stunden eine ganze Menge Scheine
hinzublättern. Frag sie, ob sie das begriffen haben!«
    Felipe formulierte seine Übersetzung ein bißchen schonungvoller,
aber Herr Rönsch wurde trotzdem blaß. »Sagen Sie, was
unterstellen Sie meiner Tochter eigentlich?« fragte er angriffslustig.
Seine Frau griff beschwichtigend nach seiner Hand. »Reg
dich nicht auf! Er hat ja nur erklärt, was hier sonst passiert. Mit
Marion braucht das nichts zu tun zu haben!«
    »Vor allem will ich wissen, was die spanische Polizei jetzt zu tun
gedenkt! In Deutschland würde jetzt eine Fahndung eingeleitet
werden, da könnte man sicher sein! Felipe, frag ihn, was er tun
will!«
    Felipe fragte. Dann übersetzte er die Antwort des Polizisten:
»Er sagt, er hat ja nun ein Photo von Ihrer Tochter. Bei allen
Razzien wird man auf Marion achten. Mehr kann er nicht versprechen.
« Herr Rönsch begriff, daß er tatsächlich im Augenblick
nichts erreichen konnte. Niedergeschlagen und besorgt verließen
er und seine Frau das Revier. Felipe trottete hinterher und grinste

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