Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Carlott Fontana
Vom Netzwerk:

hoffnungsfroh. Sicher bekam er jetzt ein anständiges Trinkgeld.
     
    Marion hatte festgestellt, daß die Tür zum Badezimmer in ihrer
Kabine verriegelt war. Sie rüttelte ein paarmal an der Klinke, aber
die Tür gab nicht nach. Resigniert legte sie sich aufs Bett. Sie
mußte dringend auf die Toilette.
    Kurz darauf erschien ein Steward. Im ersten Moment dachte
Marion, er könnte ihr vielleicht helfen. Sie sprang auf und lief
ihm entgegen. »Bitte, können Sie mir helfen? Man hält mich hier
fest. Man hat mir Schlaftabletten gegeben. Ich möchte unbedingt
sofort nach Hause!« Der Mann schüttelte den Kopf. »Taleb
schickt mich«, erklärte er. Auf einem Tablett, das er vor sich
hertrug, standen eine Flasche Wasser und ein Teller Salat. »Ich
bringe etwas zu essen!«
    »Ich habe keinen Hunger. Ich will auf die Toilette!«
    »Das Bad ist nebenan.«
    Gereizt entgegnete sie: »Ja, aber das ist verschlossen!«
Der Steward rüttelte ebenfalls an der Tür, mußte aber feststellen,
daß Marion recht hatte. »Und Sie müssen dringend auf die
Toilette?«
    »Ja! Jetzt sofort!«
    Er zögerte. »Sie dürfen die Kabine nicht verlassen!«
    Marion richtete sich auf. »Aber das könnt ihr nicht machen! Ihr
könnt mich nicht stundenlang einsperren und mir verbieten, eine
Toilette aufzusuchen!«
    Der Steward sah das ein. Er war Talebs persönlicher Bediensteter,
begleitete ihn auf allen Reisen, hatte ungeheuren Respekt vor
ihm und hielt sich immer strikt an seine Anweisungen. Aber das
junge Mädchen tat ihm leid. In seiner ganzen mondänen Aufmachung
sah es so hilflos aus; inzwischen hatte sich auch ihr Makeup
verwischt, und unter den Augen verliefen schwarze Spuren
von Wimperntusche.
    »Ich werde Sie zur Toilette begleiten«, sagte er. »Kommen Sie
bitte mit.«
    Marion stand auf. Sie zog ihre Schuhe nicht an, denn ihre Füße
waren inzwischen geschwollen und schmerzten. Es war ihr
gleich, ob sie barfuß lief, es war ihr sogar egal, wie sie aussah. Sie
wollte nur fort.
    Es gab ein Badezimmer am Ende des Ganges, das zur allgemeinen
Benutzung offenstand. Während der Steward vor der Tür
stehenblieb, verschwand Marion im Inneren. Die Toiletten befanden
sich hinter Türen aus Eichenholz, die Wasserbecken
waren aus hellem Marmor, die Wasserhähne vergoldet. Marion
betrachtete sich im Spiegel. Sie sah so elend aus, daß sie sich fast
nicht wiedererkannt hätte. Sie ließ Wasser in ihre Hände laufen
und spritzte es sich ins Gesicht, aber das half auch nichts. Zuviel
Champagner und zu viele Schlafmittel. Über ihren Augen lag ein
Schleier. »Sind Sie fertig?« erklang die Stimme des Stewards von
draußen.
    Marion sah sich rasch um. Nein, es gab keine Möglichkeit, von
hier zu verschwinden. Kein Fenster, und die wenigen Bullaugen
waren Attrappen. Es half nichts. Sie mußte wieder hinaus. Ihre
Schritte wurden immer langsamer, als sie den Gang entlang
zurückgingen, sie fühlte sich wie ein Kaninchen in der Falle. Der
Steward blieb stehen. »Was ist denn? Warum laufen Sie so langsam?
Ist Ihnen nicht gut?«
    Das war es! Das war die einzige, winzige Chance. Marion blieb
stehen. »Nein. Mir ist gar nicht gut. Es geht mir entsetzlich
schlecht. Ich glaube, es ist mein Kreislauf!«
    »Kommen Sie! Sie müssen sich auf Ihr Bett legen!«
    »Ich schaff es nicht mehr bis dahin… glaub ich…«, keuchte
Marion. Mit beiden Armen umfaßte sie ihren Leib und rutschte
an der Wand entlang langsam zu Boden. Unbeweglich, mit geschlossenen
Augen, blieb sie liegen. Der Steward war völlig
hilflos. Er fühlte ihren Puls und legte ihr die Hand auf die Stirn,
als wolle er feststellen, ob sie Fieber habe. »Was ist denn? Wachen
Sie doch auf!« rief er.
    Marion rührte sich nicht. Der Mann stand einen Moment lang
unschlüssig neben ihr, dann vernahm sie seine Sehritte, die sich
entfernten. Wahrscheinlich ging er los, um Hilfe zu holen. Marion
wartete noch einen Moment, dann rappelte sie sich eilig auf.
Es war ihr noch nicht klar, wie sie von dem Schiff herunterkommen
sollte, aber es schien ihr wichtig, sich zumindest dem
unmittelbaren Zugriff ihrer Gastgeber zu entziehen. Sie stolperte
den Gang entlang und wollte gerade die Treppe hinauf, da vernahm
sie von oben her Stimmen. Es schien ihr, als sei die von
Taleb darunter.
    Blitzschnell öffnete sie die nächstbeste Tür und verschwand in
einer Kabine, die ungefähr genau so aussah wie die, in der sie
vorhin eingesperrt gewesen war. Viel roter Samt, schwarze Seide

Weitere Kostenlose Bücher