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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Stunde unterwegs«, sagte Helga. »Es war nicht viel Verkehr und es gab nicht viele, die wir fragen konnten. Ich habe mehrere von ihren Freundinnen angerufen, ich habe in Lailas Kiosk angerufen. Sie war nicht dort, und das begreife ich nicht. Was soll ich jetzt tun?«
    Sie schaute ihn aus brennenden Augen an.
    »Sie dürfen nicht allein sein«, sagte er. »Bleiben Sie ganz ruhig sitzen und warten Sie auf Ihre Schwester. Und wir trommeln unsere Leute zusammen und machen uns auf die Suche nach ihr.«
     
    »Kannst du dich an Mary Pickford erinnern?«, fragte Sejer.
    Sie saßen im Wagen. Er sah im Rückspiegel Helgas Haus verschwinden. Die Schwester, Ruth, war wieder da. Jacob Skarre blickte ihn verständnislos an. Er war zu jung, um Ahnung von Stummfilmstars zu haben.
    »Ida sieht ihr ähnlich«, sagte Sejer.
    Skarre stellte keine Fragen. Er hätte gern geraucht, aber das war im Streifenwagen nicht gestattet. Also durchwühlte er seine Tasche nach Süßigkeiten und fand eine Schachtel Pastillen.
    »Sie wäre nicht in ein fremdes Auto eingestiegen«, sagte er nachdenklich.
    »Das sagen alle Mütter«, behauptete Sejer. »Es kommt immer darauf an, wer sie darum bittet. Erwachsene sind viel klüger als Kinder, so einfach ist das.«
    Skarre gefiel diese Antwort nicht. Er wollte glauben, Kinder verfügten über Intuition, witterten Gefahren schneller als Erwachsene. Wie Hunde. Röchen sie. Aber Hunde waren ja auch nicht gerade klug. Seine Gedanken nahmen ihm den Mut. Die Pastille war in seinem Mund weich geworden, und jetzt kaute er darauf herum.
    »Aber sie steigen in ein Auto, wenn jemand darin sitzt, den sie kennen«, sagte er laut. »Und meistens ist es jemand, den sie kennen.«
    »Du redest, als ob wir es mit einem Verbrechen zu tun hätten«, sagte Sejer. »Dazu ist es ja wohl ein wenig zu früh.«
    »Nein«, Skarre zögerte mit der Antwort. »Ich versuche nur, mich vorzubereiten.«
    Sejer musterte ihn verstohlen. Skarre war jung und ehrgeizig. Offen und eifrig. Seine Begabung lag gut versteckt hinter den großen himmelblauen Augen, und seine Locken gaben ihm einen Anstrich von Harmlosigkeit. Niemand fühlte sich von Skarre bedroht. Die Leute entspannten sich und kamen ins Reden, und genau das wollte er ja auch. Sejer lenkte den Streifenwagen in der zugelassenen Geschwindigkeit durch die Landschaft. Die ganze Zeit hatte er Kontakt zu den Suchmannschaften. Sie hatten nichts zu berichten.
    Der Tacho lag fast bei sechzig, später dann bei achtzig. Automatisch glitten ihre Augen über die Felder, sie wollten nichts übersehen. Aber sie konnten nichts entdecken. Kein kleines Mädchen mit dunklen Haaren, kein gelbes Fahrrad. Sejer sah ihr Gesicht vor sich. Den kleinen Mund und die großen Locken. Und dann zeigte sein inneres Auge ihm sofort einige schreckliche Bilder. Nein, sagte es in ihm. So ist es nicht, diesmal nicht. Dieses Mädchen kommt wieder nach Hause. Sie kommen so oft nach Hause, ich kenne das doch. Und warum um alles in der Welt liebe ich diesen Beruf?
     
    Helga füllte ihre Lunge mit Luft und atmete danach unregelmäßig. Ruth legte der Schwester den Arm um die Schultern und sprach laut und übertrieben deutlich.
    »Du mußt atmen, Helga. Atmen!«
    Ein paarmaal war heftiges Luftholen zu hören, aber nichts kam heraus, und der untersetzte Körper kämpfte auf dem Sofa darum, die Kontrolle zurückzugewinnen.
    »Wenn Ida jetzt kommt und dich so sieht!« rief Ruth verzweifelt. Etwas anderes fiel ihr nicht ein. »Hörst du mich?« Sie schüttelte ihre Schwester. Endlich konnte Helga normal atmen. Dann sank sie in sich zusammen und wirkte seltsam abgestumpft.
    »Ruh dich ein wenig aus«, bat Ruth. »Ich muß zu Hause anrufen. Und danach mußt du etwas essen. Oder zumindest etwas trinken.«
    Helga schüttelte den Kopf. Vage hörte sie vom anderen Ende des Zimmers her die Stimme ihrer Schwester. Ein leises Murmeln, das sie nicht verstand. Gleich darauf war Ruth wieder da.
    »Ich habe Marion gesagt, sie soll ins Bett gehen und die Tür abschließen«, sagte sie.
    Als sie das sagte, spürte sie ihre heftige Angst. Marion war allein im Haus. Dann ging ihr auf, daß diese Angst fehl am Platz war. Alle Wörter wurden gefährlich, alle Bemerkungen explosiv. Sie verschwand in der Küche. Helga hörte Gläser klirren. Eine Schublade wurde geöffnet, und sie dachte: Brot. Jetzt essen müssen. Das ginge nicht. Aus wehen Augen starrte sie zum Fenster hinüber. Als das Telefon klingelte, fuhr sie so heftig zusammen, daß sie

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