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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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verzweifelt.
    »Doch, das können wir. Wir haben Dinge gefunden, die darauf hinweisen.«
    Jetzt wagte sie nicht, ihn anzusehen. Jetzt waren ihre eigenen Hände Gegenstand ihres ungeteilten Interesses.
    »Haben Sie das Nachthemd gekauft, Elsa?« fragte er leise.
    Er beugte sich vorsichtig über den Tisch und konnte ihren Blick einfangen. Sie zögerte, weil er ihren Vornamen benutzt hatte. Das war unerwartet und fast überwältigend intim, und es ließ sie auf seltsame Weise schwach werden. Aber dann machte sie sich klar, daß das sicher seine Taktik war, und sie preßte die Lippen aufeinander.
    »Warum hätte ich wohl ein Nachthemd kaufen sollen?«
    »Vielleicht, um Emil aus einer schrecklichen Notlage zu retten?« schlug er vor. »Vielleicht wollten Sie, daß sie schön aussah. Sie war nur ein kleines Mädchen, und Sie haben für sie getan, was Sie konnten. Und das war gar nicht so wenig«, fügte er hinzu.
    Keine Antwort.
    »Jede Mutter würde ihrem Kind helfen, wenn es Schwierigkeiten hat. Ganz zu schweigen davon, wenn eine Katastrophe vorliegt«, erklärte er. »Wollten Sie nicht einfach nur helfen?«
    »Ich putze bei ihm, das ist alles. Das ist übrigens eine Halbtagsarbeit. Er macht schrecklich viel Dreck.«
    Diese Worte kamen wie von einem Tonbandgerät, sie hatte sie schon so oft gesagt, daß sie keinerlei Gefühl mehr aufwiesen.
    »Und der Vogel verliert Federn«, sagte Sejer. »Die klebten an der geblümten Decke.«
    Elsa Mork blieb stumm.
    »Wir hören jetzt auf«, sagte Sejer schließlich. »Ich glaube, wir brauchen eine Pause.«
    »Nein, nein!« sagte Elsa laut. Plötzlich konnte sie den Gedanken, in ihre Zelle zurückzukehren, nicht ertragen. Sie wollte hier sitzen und reden, wollte das Gefühl haben, daß dieser Hauptkommissar im grauen Hemd ihr zuhörte und sich um sie kümmerte. Wollte, daß es so blieb. Sie beugte sich über den Tisch und sagte das Gegenteil von dem, was sie empfand. Sie mußte sich schützen, sie war dabei, weich zu werden, und sie hatte das Gefühl, daß ihr ganzer Körper unter ihr verwelkte.
    »Wir machen weiter, bis Sie fertig sind«, erklärte sie. »Ich kann nicht länger hierbleiben, ich habe zu Hause ungeheuer viel zu erledigen.«
    Er musterte sie forschend.
    »Ich flehe Sie an, machen Sie sich den Ernst der Lage klar«, sagte er. »Wir halten Ihren Sohn Emil Johannes für die Ursache von Ida Joners Tod. Und wir glauben, Sie haben ihm geholfen, die Leiche zu verbergen und sie danach am Straßenrand abzulegen. Da Ihr Sohn nicht redet, wird die Sache dauern. Wir brauchen Expertenhilfe, um ihn zu vernehmen, und Sie müssen damit rechnen, solange in Untersuchungshaft zu bleiben.«
    Wenn diese Mitteilung sie überraschte, dann ließ sie sich jedenfalls nichts anmerken. Sie erhob sich und schob ihren Sessel wieder an den Tisch. Richtete sich gerade auf und biß die Zähne zusammen. Dann sank sie langsam zu Boden.
     
    Es war ein undramatischer Fall. Zuerst gaben ihre Knie unter ihr nach. Ihr Körper beschrieb eine halbe Drehung, und der Kopf sackte nach hinten, so daß sie das Gleichgewicht verlor. Sie traf mit einem kurzen, dumpfen Dröhnen auf dem Boden auf. Fast sofort kam sie wieder zu sich, verwirrt, bleich und schrecklich verlegen. Später, als Sejer mit einem Whisky in der Hand in seinem Wohnzimmer saß, dachte er darüber nach. Welche Demütigung diese Ohnmacht für sie gewesen sein mußte. Und daß sie dann von fremden Händen aufgehoben worden war. Die Verwirrung hatte sicher lange angehalten. Auch dann noch, als sie in ihrer Zelle lag, auf der schmalen Pritsche, unter einer Wolldecke.
    Sejer trank seinen zimmerwarmen Whisky in kleinen Schlucken. Kollberg stupste seine Wade mit der Schnauze an. Sejer bückte sich und streichelte den Rücken des Hundes. Der hegte keine zitternden Erwartungen mehr an den Abend, an die gemeinsamen Spaziergänge. Sejer dachte, du möchtest dir das lieber ersparen. Von jetzt an willst du nur so liegen, zu meinen Füßen. Dein Leben ist einfach, Junge. Der Hund gähnte lange und knackend, dann ließ er seinen großen Kopf wieder auf seine Pfoten sinken. Sejer dachte nach. Wenn er recht hatte und Emil Johannes an Idas Tod schuld war, was war dann zwischen den beiden wirklich geschehen? Warum hatte er die eine getötet, die ihn besuchte?
    *

A N DIESEM M ORGEN kam bei der Frühbesprechung fast so etwas wie Heiterkeit auf. Sejer hatte klargestellt, daß er versuchen werde, Emil Johannes Mork zu vernehmen.
    »Das kann ja ein netter Monolog

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