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Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Zoll bringen.«
    Ruth schnappte nach Luft. Ihre Augen hingen an ihrem Sohn.
    »Du sagst, du weißt von Willys Drogengeschäften, aber du hast nie etwas damit zu tun gehabt. Warum hat Willy dich denn nach so langer Zeit nun um diesen Gefallen gebeten?«
    »Er fand, ich sei ihm den schuldig«, sagte Tomme.
    »Und stimmt das?«
    »Er hat den Opel repariert. Gratis.«
    »Das war aber ein ziemlich großer Gegendienst, finde ich. Was sagst du?«
    »Das fand ich auch. Deshalb habe ich abgelehnt. Und das paßte ihm nicht.«
    »Weiter«, sagte Sejer.
    Tomme wagte nicht, seine Mutter anzusehen. Er dachte an die Pillen, die sie in die Toilette geworfen hatten. Jetzt hatte er Angst, das zu verraten, denn er wollte seine Mutter nicht in die Sache hineinziehen. Also beschäftigte er sich mit allerlei Geräuschen und Bildern, die in seinem Kopf wüteten. Es mußte doch möglich sein, daraus ein glaubwürdiges Ganzes zusammenzusetzen.
    »Willy hatte ein Bier mitgenommen«, sagte er. »An Deck. Er lief mit dem Glas in der Hand hin und her. Es war immer noch schrecklich windig, und er rutschte mehrere Male aus und mußte sich dauernd irgendwo festhalten, um nicht zu fallen. Ich selbst saß auf einem Kasten und sah ihm zu. Mir war kalt. Ich wollte schlafen, aber er gab keine Ruhe, kletterte auf Tauen herum und wollte balancieren und so. Nervte mich und machte einen Höllenlärm. Am Ende kletterte er dann auf die Reling. So hoch, daß seine Knie die oberste Kante berührten. Und dann fiel ihm sein Glas ins Wasser«, erinnerte sich Tomme. Ihm fiel Willys verdutzte Miene ein, als ihm das Glas aus der Hand rutschte und in der Tiefe verschwand. Ruth biß sich in die Lippe. Sie schien schon zu ahnen, was jetzt kommen würde.
    »Und du?« fragte Sejer.
    »Ich habe einfach nur zugesehen«, sagte Tomme. »Ich habe einige Male gerufen, er solle herunterkommen, das sei gefährlich. Aber er lachte nur. Ich war naß, ich fror, ich wollte da weg, aber ich konnte doch Willy nicht allein lassen. Aber der macht immer, was er will, und wenn er etwas getrunken hat, läßt er sich erst recht nichts sagen. Ich krümmte mich auf dem Kasten zusammen, um nicht zu sehr zu frieren. Und ich bereute, daß ich überhaupt mitgefahren war«, gab er zu. »Die ganze Tour hat doch nur Suff und Nervkram gebracht. Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Am Ende bin ich dann aufgestanden und habe gesagt, ich hau mich jetzt in die Falle. Mach du, was du willst. Willy johlte und grölte nur«, sagte Tomme müde. »Und dann habe ich aufgegeben und bin in die Kabine gegangen.«
    Sejer hatte sich diese Erklärung aufmerksam angehört. Zugleich hatte er eine dunkle Gestalt registriert, die ins Zimmer geschlüpft war. Marion, dachte er. Die Schwester. Ruth schien sie nicht entdeckt zu haben. Kümmert sich überhaupt jemand um sie? dachte er und versuchte, ihren Blick einzufangen. Der wich aus.
    »Und was hast du dann gemacht?« fragte er, um Tomme weiterzuschieben.
    »Mich ins Bett gelegt«, antwortete der. »An die Decke gestarrt. Ich habe mich so lange wie möglich wachgehalten. Wir hatten doch nur einen Schlüssel, und deshalb habe ich darauf gewartet, daß er klopfte. Aber er kam nicht. Und dann bin ich wohl eingeschlafen. Als ich am Morgen wach wurde, war er weg. Ich bin total in Panik geraten, konnte nicht mehr denken. Wußte nicht, wie ich überhaupt irgendwas erklären sollte. Denn ich hatte doch nichts gesehen. Und dann bin ich allein an Land gegangen«, flüsterte er.
    Er hatte den Kopf gesenkt. Das bedeutete, daß Sejer die Sache übernehmen und ihn weiterführen sollte.
    »Du sagst also«, sagte Sejer deutlich, »daß du allein in der Kabine wachgeworden bist und dein Freund Willy verschwunden war. Aber du hast der Fährmannschaft nicht Bescheid gesagt?«
    »Nein«, sagte Tomme. Mit ungeheuer schwacher Stimme.
    »Das mußt du mir erst mal erklären«, verlangte Sejer.
    »Das ist ja gerade so schwierig«, sagte Tomme verzweifelt. »Ich war so verwirrt. Hab ihn überall gesucht. Dachte, er wolle mir vielleicht einen Streich spielen, habe irgendwo anders geschlafen, bei einer Frau oder was weiß ich, aber ich konnte ihn nicht finden. Und diese Menschenmenge schob mich einfach zum Ausgang. Ich wartete darauf, daß er auftauchte und mich rief. Aber ich hörte nichts. Er war einfach verschwunden. Und danach fand ich es so schwer, das alles zu erklären«, stammelte er. »Deshalb hab ich mir das mit der U-Bahn ausgedacht. Daß wir uns da getrennt hätten. Aber das war vor

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