Schwarze Stunde
schwimme er in Öl; meine Zunge klebt mir mit einem schalen Geschmack am Gaumen. Alles, was auf der Party gestern passiert ist, bricht wie eine zerberstende Eisscholle über mich herein; das Schlimmste daran sind nicht die Schikanen meiner Gäste, denen ich erneut ausgesetzt war. Das Schlimmste ist, dass ich mit Manuel geschlafen habe. Seit ich Corvin getroffen habe, wollte ich das mit niemand anderem mehr erleben als mit ihm, und jetzt habe ich es ausgerechnet mit Manuel getan, mit dem ich es nie genossen habe und der sich so mies verhalten hat. Jetzt, wo ich wusste, wer der Richtige für so viel Intimität gewesen wäre. Jetzt, wo ich den einzigen Menschen gefunden habe, den ich gern so nah an mich heranlassen würde, habe ich alles verdorben. Ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Es ist passiert.
Alena bewegt sich und murmelt etwas im Schlaf, ich verharre regungslos, um sie nicht zu wecken. Der Gedanke, Manuel und sie könnten gleich wach werden, lässt mich erschauern, ich könnte es nicht ertragen, sie beide schon wieder um mich zu haben mit ihrer Klebrigkeit, ihren Forderungen, jeder von beiden darauf lauernd, dass der andere verschwinden möge, entschlossen, mich erneut in Besitz zu nehmen, meinen Körper zu vereinnahmen und über meine Zeit zu bestimmen. Ich muss allein sein, sonst werde ich noch verrückt.
Meine Blase drückt und ich müsste dringend duschen, aber dies würde die Gefahr, die anderen zu wecken, vergrößern. Fieberhaft überlege ich, was ich tun kann, gleichzeitig beobachte ich die digitalen Ziffern an meinem Radiowecker auf dem Nachttisch, die immer weiter voranrücken. Minute um Minute vergeht, in der ich hier liege und nicht wage, mich zu rühren, mit jeder Sekunde wächst die Wahrscheinlichkeit, dass einer von beiden aufwacht. Alles ist so verfahren, ich muss hier raus, egal wohin, nur weg von hier, weg, weg, weg.
Das Schwimmbad, fährt es mir durch den Kopf. Das Hallenbad in der Mecklenburgischen Straße, ich glaube, das hat auch sonntags auf, und zwar relativ früh. Der Gedanke, mich dort unter die Dusche zu stellen, heißes Wasser auf mich niederprasseln zu lassen, so lange ich will, und danach Bahn um Bahn durch das klare, blaue Wasser zu ziehen, erscheint mir so paradiesisch, dass ich es schaffe, mich kurz entschlossen lautlos aus dem Bett zu rollen und ins Bad zu schleichen. Ich benutze die Toilette, ohne zu spülen, und putze mir nur rasch die Zähne, um den schalen Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben, dann schlüpfe ich in meine Sachen von gestern. Zum Glück bewahren meine Eltern und ich unsere Schwimmsachen in einer Schublade im Korridor auf, also greife ich, wieder ohne ein Geräusch zu verursachen, nach einem Badeanzug und einem Handtuch, stopfe alles in meine Umhängetasche, schlüpfe in meine Sneakers und meinen Parka und lausche an der Tür noch einmal nach innen. Alles ist still. Ich schleiche mich hinaus und ziehe dir Tür hinter mir zu. Das Schließen erscheint mir so laut wie ein Schuss und deshalb fange ich an zu laufen, stürze die Treppe hinunter, als würde ich gejagt, nur fort von hier, Abstand gewinnen für den Fall, dass einer von beiden doch wach geworden ist und augenblicklich begreift, mir folgen, mich einholen und gefangen nehmen will. Ich renne und renne, nehme einen Umweg durch ein paar Nebenstraßen und habe Glück: Am Hohenzollernplatz fährt gerade die U-Bahn ein, am Sonntag früh ist sie fast leer. Ich lasse mich auf einen Sitz plumpsen, vom Rennen strömt der Atem heiß und schnell aus meinen Lungen. Fürs Erste bin ich entkommen.
Den Duschraum habe ich fast für mich allein, trotzdem stelle ich mich in die hinterste Ecke und drehe den Hahn auf. Weil ich mein Duschgel nicht dabei habe, nehme ich irgendein Hair-and-Body-Shampoo von der Ablage, quetsche einen Klecks auf meine Hand und verteile es überall, wasche mich rein von der letzten Nacht, auch wenn dies nur äußerlich möglich ist. Gegen das schmutzige, erniedrigende Gefühl, alles falsch gemacht, alles verdorben zu haben, hilft es nicht. Auch durch das Einschäumen und Abspülen wird es kaum besser, und so stelle ich zum Schluss den Hahn auf maximale Kälte und lasse das Wasser auf mich hinunterprasseln wie Eisregen. Anfangs muss ich die Luft anhalten, doch mir gefällt das schaudernde Gefühl, das die Kälte in mir auslöst, ich halte es aus, bis ich sie nicht mehr spüre, weil sich mein Körper daran gewöhnt hat.
Als ich mich einigermaßen sauber fühle, gehe ich hinüber in
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