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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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die Schwimmhalle und springe gleich vom Startblock; das im Vergleich zur Dusche warme Wasser umfängt mich wie eine überdimensionale Badewanne. Erst jetzt gelingt es mir, mich zu sammeln. Ich habe das Schwimmerbecken fast für mich allein, nur ein junger Sportschwimmer mit eng anliegender schwarzer Badekappe und Schwimmbrille pflügt sich mit seinen durchtrainierten Armen unablässig von einem Ende zum anderen, atmet über Wasser ein und im Wasser aus, ich frage mich, wie er das kann, ohne Wasser zu schlucken. Ein paar Schwimmzüge lang versuche ich es, es ihm gleichzutun, und anfangs klappt es, doch bereits nach wenigen Metern verschlucke ich mich und gehe wieder zum normalen, gemächlichen Brustschwimmen über. Ich schwimme lange, und als mir eine halbe Stunde später die Arme und der Nacken wehtun, lasse ich mich auf dem Rücken treiben und schließe die Augen, stelle mir vor, jetzt zusammen mit Corvin irgendwo im Meer zu baden. Türkisblaues Salzwasser würde unsere Körper streicheln, wir würden auf warmem, weißem Sand liegen, irgendwo auf einer Südseeinsel, weit fort von hier, weit fort von allen, die uns nachstellen und uns unser Glück missgönnen. Wir würden …
    Gar nichts würden wir. Ich habe mit Manuel geschlafen und damit unsere Liebe entweiht. Corvins und meine Liebe, die so viel sauberer und harmloser war, als alle anderen es von uns denken. Ich habe Mist gebaut, habe sie beschmutzt. Besser, ich träume nicht mehr von der Insel, sondern öffne meine Augen wieder und stelle mich meiner Welt, wie sie wirklich ist. Ein gekacheltes Becken statt der Südsee, durch das ich allein schwimme, weil ich niemanden mehr habe, der wirklich an meiner Seite steht, vielleicht noch Alena, aber auch sie habe ich enttäuscht, es wäre kein Wunder, wenn sie mich früher oder später auch fallen ließe. Meine Eltern, die so wenig von mir wissen und auch nichts wissen wollen, außer dass ich ein vorzeigbares Abi hinlege. Mein ganzes Leben erscheint vollkommen aussichtslos; ich wünschte, ich könnte sein wie die Marie bei Frau Holle, die in einen Brunnen springt, ohnmächtig wird und in einer anderen, besseren Welt wieder aufwacht; einer Welt, in der sie sich ganz neu beweisen kann. Das möchte ich auch.
    Plötzlich schwappt eine Welle von hinten über meinen Kopf, im nächsten Augenblick spüre ich ein Gewicht auf meine Schultern und meinen Kopf drücken. Langsam sinke ich nach unten, konnte nicht einmal vorher noch meine Lungen mit Luft füllen. Lange werde ich unter Wasser festgehalten, ich kämpfe, schlage um mich, suche nach der hellen Wasseroberfläche und finde sie nicht, ich muss atmen, jetzt sofort, genau dies ist der Moment vor dem Ertrinken, gleich verliere ich das Bewusstsein, aber ich will doch noch leben, gleich …
    Ich werde nach oben gerissen. Instinktiv reiße ich meinen Mund auf und ziehe die Luft ein, schnell, tief, ein einziger lebensrettender Atemzug, er reicht noch nicht, meine Lunge kann nicht genug bekommen, ich atme und atme, japse, keuche, huste, schwimme zum Rand, um mich festzuhalten, mein Herz rast. Erst am Beckenrand fange ich mich so weit wieder, dass ich mich nach meinem Peiniger umsehen kann, werfe meinen Kopf gehetzt in alle Richtungen, voller Angst, er könnte dasselbe noch einmal tun. Das Chlorwasser brennt in meinen Augen, im ersten Moment kann ich noch nicht klar sehen, bemerke nur eine Gestalt, die eilig im Duschraum verschwindet. Sonst ist niemand zu sehen, nur am anderen Ende des Beckens schwimmen jetzt zwei Frauen geruhsam nebeneinander her und unterhalten sich, sie blicken nicht zu mir, wahrscheinlich haben sie nicht einmal etwas bemerkt. Der Sportschwimmer zieht weiter seine Bahnen, in gleich bleibendem Tempo pflügt er sich von einem Ende zum anderen, er kann es nicht gewesen sein; der Bademeister sitzt in seinem Glashäuschen und telefoniert.
    **
    Als ich zurück nach Hause komme, sitzt Alena mit einer Tasse Kaffee am Esstisch, sieht mich abwartend an, stellt mir jedoch keine Fragen.
    »Schläft Manuel noch?«, frage ich. Sie schüttelt den Kopf.
    »Ich habe ihn aus dem Bett geschmissen und weggeschickt«, erklärt sie. »Habe ihm gesagt, dass du sicher ziemlich durcheinander bist, weil ihr jetzt plötzlich wieder zusammen seid und auf deiner Party Sex hattet, und dass du einen Spaziergang machst, um einen klaren Kopf zu bekommen.«
    Ich bereite mir auch einen Kaffee zu, decke den Tisch mit Frühstückszutaten und schiebe für jeden von uns ein Toastbrötchen in Mamas

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